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Hochgefickt

Titel: Hochgefickt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nathalie Bergdoll
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Bursche!« – »Na, geht so …«, knurrte mein Vater, dem allein schon aus Prinzip (wie den meisten Töchter-Vätern) eigentlich jeder Typ missfiel, den ich näher als zwei Meter an mich heranließ. Weil ich keine Lust hatte, mich den Rest des Tages mit Bemerkungen und Andeutungen herumschlagen zu müssen, beschloss ich seufzend, meine Karten auf den Tisch zu legen. »Also gut: Ich kenne Ralf fast gar nicht, und ich wusste auch nicht, was er beruflich macht, als wir uns begegnet sind, so viel dazu«, klärte ich die beiden auf. »Aber ich fand ihn so sympathisch, dass ich gerne zugesagt habe, als er mich unbedingt zum Essen einladen wollte.« – »Ja, und?! Wie war das? Jetzt lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen!«, bohrte Renate ungeduldig nach. »Frag mich das am 3. Januar, dann weiß ich mehr!«, erwiderte ich. Irritation bei meinen Eltern: »Hä? Wie das denn? Wir sind doch bis zum 5. hier in Tannheim!« In Günthers Stimme hörte ich ein gewisses Maß an Verärgerung – wahrscheinlich fürchtete er, dass ich mich mal wieder aus dem Familienurlaub ausklinken wollte, daher ging ich stimmlich in den »liebste Tochter der Welt«-Modus und machte mich daran, seinen Unmut zu zerstreuen. »Genau das hab ich ihm auch gesagt, und deshalb hat er im Loch Ness für den 2. Januar einen Tisch bestellt! Ralf kennt das Tal hier nämlich und meinte, das läge ganz prima auf seinem Weg nach Zürich.« – »Na, dann hat dein Ralf schon mal ganz prima keine Ahnung von Geografie!«, konterte mein Vater bissig. »Günni, jetzt sei nicht so ein Stinkstiefel!«, fuhr ihm meine Mutter in tadelndem Ton in die Parade. »Dieser nette junge Mann fährt anscheinend extra einen Umweg, nur um mit deiner Tochter essen gehen zu können! Statt hier Giftpfeile rumzuschleudern, solltest du dich lieber freuen, dass Jacqueline nicht vor Ende unseres Urlaubs abreist – und dass wir am 3. vielleicht etwas über den neuen Nationalspieler gewahr kriegen …« Sie zwinkerte mir zu, und ich konnte ihr ansehen, dass sie in ihrem Kopf schon sortierte, welcher ihrer Kundinnen sie diese Episode quasi als Neujährchen-Bonus brühwarm und im Vertrauen aufs Brot schmieren würde. Schließlich hatten sich in ihrem Salon über die Jahre neben den Sextipps auch Glitzerwelt-Berichte aus erster Hand als Highlight etabliert. Die Geschichte beispielsweise, wie mein Vater vor Jahren gemeinsam mit Paul Kuhn den volltrunkenen Harald Juhnke aus der Hotelbar in sein Zimmer bugsiert hatte, war – neben einigen anderen »Günther-im-Außendienst«-Anekdoten – ein Dauerbrenner im Salon. Und was ich im letzten halben Jahr erlebt hatte, ließ sich bei der Dauerwelle nicht nur durch Renates stolz präsentiertes Zeitungsausschnitt-Sammelalbum genüsslich auskosten.
    Wir hatten den Jahreswechsel so weit gut überstanden, und ich nutzte den ganzen ersten Januar, der bei uns aus Entgiftungsgründen traditionell als Skitag flachfiel, mich mental auf meine Verabredung am nächsten Tag vorzubereiten. Konkret bedeutete das: Während ich den gesamten Tag zwischen Schwimmbad und Sauna herumlungerte und mich für teures Geld mani- und pediküren ließ, überlegte ich hingebungsvoll, was ich denn wohl für dieses wichtige Treffen am besten anziehen sollte. Ich investierte sogar in eine professionelle Beinenthaarung mit Heißwachs, um für den optimalen Erfolgsfall gerüstet zu sein. Ich war nämlich unabhängig von seiner wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stellung einfach wirklich scharf auf Ralf. In den sexlosen Wochen, die hinter mir lagen, hatte ich mich in die ehrliche Schwärmerei für ihn mit wunderbar verdorbenen Phantasien reingesteigert – daher hatte ich beileibe nicht vor, mich als Rührmichnichtan zu geben, sondern plante eher, das ein oder andere Kopfkinofilmchen endlich in die Tat umzusetzen.
    Als ich am 2. Januar 1994 um 20.05 Uhr das Loch Ness betrat, hatte ich deshalb optisch alle Register gezogen, die ich zu bieten hatte: Ich trug mein langes, enges schwarzes Kleid, das meine Rundungen optimal betonte und die blonden Haare kontrastreich hervorstechen ließ, darunter eine waffenscheinpflichtige Reizwäschekombination, betörendes Parfum und meine tollen Wildlederpumps. Kurzum und gewohnt bescheiden: Ich sah aus wie eine Göttin.
    Das Problem war leider nur, dass ein solches Ensemble natürlich nicht der optimale Aufzug ist, um bei minus sechs Grad Celsius und dreißig Zentimetern Neuschnee quer durch den Ort zum verabredeten Treffpunkt zu

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