Hochgefickt
schnell googeln konnte, war so etwas eine echte Aufgabe, zumal es nicht nur diskret vonstatten gehen musste, sondern auch zuverlässige Informationen bringen sollte.
In welchem Verein er spielte, war noch relativ leicht herauszukriegen, dafür musste ich mir nur im Bahnhofspresseladen ein Schweizer Fußballmagazin kaufen. Durch dieses Fachjournal wusste ich dann außerdem, dass er 28 Jahre alt war, rechts seinen starken Fuß hatte und in der Schweizer Liga letzte Saison mit großem Abstand Torschützenkönig geworden war. Was ich leider trotzdem nicht in Erfahrung bringen konnte, war, wie lange sein Vertrag noch lief, wo genau er aus Deutschland herkam, was er für Hobbys pflegte und ob er eine Freundin hatte. Letzteres hätte mich zwar mitnichten abgeschreckt, aber im Rahmen meiner Recherche wäre solches Hintergrundwissen sicher auch nicht von Nachteil gewesen.
Ich fand mich damit ab, alle offenen Fragen erst am 2. Januar beantwortet zu bekommen, und beschloss, bis dahin einfach einen angenehmen Skiurlaub mit meinen Eltern zu genießen. Das gelang ganz vorzüglich, denn da ich es – trotz meines Outfits – nicht in die Berichterstattung über die Berliner Nikolausparty geschafft hatte, wussten Renate und Günther gar nicht, dass ich da gewesen war, und freuten sich, dass ich mich anscheinend wirklich auf mein Studium konzentrierte. Am Morgen nach Renates Geburtstag, den wir wie immer fürstlich im Loch Ness gefeiert hatten, freute ich mich nicht nur sehr darauf, mir bereits vier Tage später dort schon wieder den Bauch voll schlagen zu können – auf Szibuda war tatsächlich für den 2. ein Tisch reserviert worden, das hatte ich dezent beim Rezeptionisten gecheckt.
Zu meiner guten Stimmung trug auch bei, dass ich trotz meines leicht verkaterten Zustands im richtigen Moment mit Wissen prahlen konnte – Klugscheißen war ein innerfamiliärer Sport im Hause Große, vielleicht hatten wir einfach ein bisschen zu viel Trivial Pursuit gespielt die letzten Jahre. Während wir also in Skiunterwäsche um den Frühstückstisch herum saßen und ausgiebig Zeitung lasen, fragte sich Günther irgendwann, Kopf schüttelnd über dem Sportteil: »Also, ich versteh’ den Bundesterrier nicht, wen der alles so nominiert für die Fußball-WM in USA. Wer zum Henker hat denn bitte jemals was von einem Ralf Szibuda gehört?« Ich war hin- und her gerissen, welcher Option ich mich zuerst hingeben sollte: laut »Halleluja!« jubeln, dass der Superschuss, der in vier Tagen extra herkommen würde, um mich zum Essen auszuführen, tatsächlich in der deutschen Nationalelf mitkicken sollte, oder Günthers Weltbild in seinen Grundfesten erschüttern. Den Jubel hob ich mir für später auf und entschied mich für Variante B.
»Ralf Szibuda ist ein Rechtsfuß, spielt in Zürich bei den Grasshoppers und war letzte Saison der Torschützenkönig der Schweizer Liga. Den kennst du nicht?!«, sagte ich, woraufhin meinem Vater der Unterkiefer so weit runterklappte, dass ich Reste seines Rühreis in der Mundhöhle erkennen konnte. Er brauchte tatsächlich mehr als fünf Sekunden, bis er sich wieder halbwegs gefangen hatte: »Wie jetzt? Du weißt doch sonst in Sachen Fußball nur, welches Land welche Trikotfarbe hat, wenn überhaupt! Wieso weißt du das? Kein Mensch außerhalb der Schweiz interessiert sich für den Schweizer Fußball! Italien, Spanien, England, das ist alles noch was anderes, aber die Schweiz? Die Schweiz?!« – »Ganz ruhig, Brauner!«, tätschelte Renate ihm die Hand, höchst amüsiert über sein ungläubiges Gestammel.
Günther war wirklich konsterniert. »Du hast dir das gerade einfach ausgedacht, nicht wahr, Lienchen?!«, unterstellte er mit einem beinahe schon flehenden Unterton. War ja auch ein bisschen gemein, da hatte er jahrelang vergeblich versucht, mein Interesse für diese Ballsportart zu wecken, und nun erklärte ich ihm einfach mal so nebenbei, dass der neue Mann im Bundesteam halt der Torschützenkönig der Schweizer Liga war. Im Gegensatz zu Günther ließ Renate sich jedoch nicht von meinem neu erworbenen fußballerischen Fachwissen blenden, sondern punktete wie gewohnt durch ihre Gabe, Leute korrekt einschätzen zu können – auch die eigene Tochter.
»Ich glaube das nicht mit dem plötzlichen Interesse für Fußball, ich glaube eher, die kennt diesen Ralf irgendwoher!«, sagte sie zu meinem Vater, während sie sich Ralfs Foto in der Zeitung genau ansah. »Das ist aber auch wirklich ein hübscher
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