Hochgefickt
stapfen. Weil ich aber trotz aller Wollust und Verführungskunst nicht daran interessiert war, mir eine Lungenentzündung oder einen Beinbruch als Souvenir mitzunehmen, hatte ich mich für den Weg zum Restaurant ganz pragmatisch für meine neonpinken Moonboots entschieden und mir Renates hellgelben Daunenmantel geliehen. Um Viertel vor acht war ich dann im Roth Flüh, wo sich das Loch Ness befand, hatte Mantel und Boots an der Hotelrezeption abgegeben, vor den bodentiefen Spiegeln auf der Damentoilette für den optischen Feinschliff gesorgt und alles wieder in die richtige Position gerückt.
Dass zwei der Spieler in den verglasten Squash-Plätzen, an denen ich vorbeiging, um innerhalb des Hauses zum Loch Ness zu gelangen, sich unachtsam den Ball in die Visage titschen ließen, weil sie dem blonden Vamp vor der Scheibe hinterhergafften, wertete ich dementsprechend als ehrliches Kompliment für mein Erscheinungsbild.
Im Loch Ness führte mich der Oberkellner zum Tisch in der abgeschiedenen Romantikgrotte, einem kleinen Separee im Felshöhlendesign, wo Ralf bereits mit einem Sherry saß. Er erhob sich lächelnd, begrüßte mich freudig mit Küsschen links und rechts und wünschte mir ein frohes neues Jahr, dann musterte er mich anerkennend von oben bis unten und machte mir Komplimente, wie fabelhaft ich aussähe. Ich erwiderte Neujahrswünsche und Komplimente – bevor ich mich jedoch darüber begeistern konnte, dass dieser Adonis auch noch über hervorragende Manieren verfügte, brachte er mich schwer aus dem Konzept – das erste Mal an diesem Abend. »Die Neon-Moonboots haben aber auch gut ausgesehen, gerade in Kombination mit dem gelben Umschnall-Plumeau«, grinste er. Ich versuchte, mir mein innerliches Fluchen, dass er mich in dem Aufzug gesehen hatte, nicht anmerken zu lassen. »Irgendwie musste ich ja herkommen, ist nun mal leider kalt und rutschig draußen«, sagte ich und hörte mich patziger an, als ich eigentlich wollte. »Ich find das wirklich super«, bemühte er sich, mich zu beschwichtigen. »Ich mache mich in der Schweiz nämlich immer über diese dummen Tussis lustig, die in der Unfallambulanz landen, weil sie sogar bei Glatteis mit Stilettos rumstaksen. Da ist mir eine schlaue Frau, die in Boots und Daunenmantel gut auf sich achtet, viel lieber, also lass dich nicht verunsichern!« Er lächelte mich so warm an, dass ich ihm diese Aussage glaubte und mich wieder entspannte, der Sherry, den mir der Kellner brachte, tat sein Übriges.
Während des anschließenden Fünf-Gänge-Menüs redeten wir angeregt über alles Mögliche, er erzählte von seinen Familienurlauben in Oberjoch, seiner Kindheit im Ruhrpott und seinem Werdegang zum Profifußballer, während ich ihm auf seine interessierten Fragen Details aus meiner Lebensgeschichte präsentierte. Ich fand ihn nicht nur sexuell wahnsinnig attraktiv, sondern mochte auch seine Art, seinen Humor und seine Ansichten – wie es schien, verknallte ich mich ganz gewaltig in diesen Hammertypen, der sich obendrein auch noch viel besser artikulieren konnte, als man es einem Profifußballer eigentlich zutrauen würde. Er schien mich aber auch ganz gut zu finden, denn schon beim vierten Gang wurde er vertraulich. »Weißt du, warum ich dich unbedingt kennenlernen wollte?«
Ich hatte gerade den Mund mit köstlichem Rohmilch-Camembert voll, und so sparte ich mir flapsige Vermutungen. Außerdem klang die Frage ohnehin so, als wollte er sie im nächsten Atemzug selbst beantworten. Somit ließ ich meinen Käse einfach in Ruhe weiter auf der Zunge zerschmelzen und sah ihn erwartungsvoll an.
»Weil mich nicht nur dein Outfit bei der Nikolausparty beeindruckt hat, sondern vor allem dein Verhalten vorher! Normalerweise reagieren Erwischte auf öffentliche Vorwürfe ja gerne mit schuldbewusstem ›Das hätte nie passieren dürfen!‹-Rumgejammer und Interviewhopping oder einfach mit Leugnereien. Dass aber jemand hingegen sagt: ›Das hätte nie rauskommen dürfen!‹, und dann einfach abtaucht, das fand ich schon sehr cool.«
Mit dieser Begründung hatte ich definitiv nicht gerechnet. »Das war aber leider in der Realität alles ein wenig anders«, bremste ich seine Begeisterung und machte mich bereit, ihm die tatsächlichen Hintergründe darzulegen. Doch er lachte nur und erwiderte doppeldeutig: »In der Realität ist meistens alles ganz anders – aber darum geht es der Boulevardpresse nicht. Die meisten Leute glauben einfach das, was da steht, unabhängig vom
Weitere Kostenlose Bücher