Hochgefickt
Honorar für ein Outing es sein könnten!« Er blickte mich durchdringend an, bevor er fortfuhr. »Wenn du zustimmst, stehst du mir für eine Laufzeit von erst einmal zwei Jahren bei medial aufbereiteten Veranstaltungen tiptop zurechtgemacht zur Seite und berichtest auf Nachfrage glaubwürdig und begeistert über unsere harmonische Beziehung. Im Gegenzug unterstütze ich dich mit 1.000 DM monatlich, alle Spesen wie Reisekosten, Kleidung et cetera ersetze ich dir natürlich. Über die Existenz dieses Vertrages ist selbstverständlich absolutes Stillschweigen zu wahren, und wenn du sexuell aktiv wirst, musst du das logischerweise im Verborgenen tun. Wenn du mir öffentlich Hörner aufsetzt, ist unsere Absprache nichtig. Bis hierhin Fragen?«
Ich hatte für einen kurzen Moment ein kleines Déjà-vu-Erlebnis: Das war im Prinzip genau wie das Tour-Angebot auf dem Schützenfest, nur eben viel besser und in einer ganz anderen Liga: Fußballerfreundin eines gut aussehenden Nationalspielers im WM-Jahr, volle zwei Jahre Vertragslaufzeit – was würde mir das für Möglichkeiten geben! Und das groteskerweise alles auch noch bezahlt!
Weil ich aber aus den letzten Monaten gelernt hatte und die guten Vorsätze fürs neue Jahr am 2. Januar auch noch recht präsent waren, ging es mir um mehr. Ich wollte nicht nur den Fuß in der Tür halten, sondern mich endlich nachhaltig in der Öffentlichkeit etablieren.
»Was ist, wenn ich mich auf Dauer nicht nur als Anhängsel inszenieren lassen möchte? Was ist denn, wenn die Stellung als Spielerfreundin mir die Möglichkeit einer eigenen Karriere beschert? Könnte ja sein, dass ich zu Castings eingeladen werde – Film, Fernsehen, Werbung, Gesang, was darf ich denn davon machen?« Ernsthaft und abgeklärt klingen konnte ich auch, und das beeindruckte ihn sichtlich. Seine Augen leuchteten.
»Unter der Bedingung, dass mir imagemäßig nichts davon schadet und du dich vor Unterzeichnung irgendwelcher Verträge mit mir berätst, kannst du das alles sehr gerne machen. Ich fände das ganz großartig. Vielleicht solltest du einen Teil der monatlichen Apanage sogar in Schauspiel- und Gesangsunterricht investieren? Je besser du dich präsentierst, desto höher wird unser Marktwert als Paar! Ich habe ja gesagt: Wir könnten wirtschaftlich ein Traumpaar werden!«
Ich hatte das Gefühl, dass Ralf auf seine Art ein noch viel zielgerichteteres Luder war als ich, und so lächelte ich sehr zufrieden und erhob mein Glas: »Auf das Traumteam?«
»Auf das neue Traumpaar Lina und Ralf!«, erwiderte er grinsend. »Jetzt sollten wir aber erst mal unser Dessert kommen lassen, bevor wir auf meinem Zimmer den Vertrag unterschreiben.«
Ich hatte mir das Abenteuer mit Ralf Szibuda ursprünglich zwar anders vorgestellt, aber mit jedem Löffel Crème Caramel gefiel mir die neue Option fast noch besser. Während des Digestifs planten wir bereits, wie und wann wir unsere »Beziehung« den Medien und der Öffentlichkeit präsentieren wollten. Wir legten gutgelaunt die nächsten Termine und Aktionen fest, und nachdem wir den Vertrag auf seinem Zimmer unterzeichnet hatten, holte er breit grinsend einen unfassbar wild gemusterten Skioverall und schwarze Fellboots aus dem Schrank.
»So, und jetzt zieh ich mir was Vernünftiges an und bring dich nach Hause. Das macht bei meinen Schwiegereltern bestimmt einen guten Eindruck!«, zwinkerte er mir amüsiert zu.
»Oh ja, ganz sicher!«, sagte ich und stierte amüsiert auf den Overall, dessen Neonmuster mir Netzhautflimmern bescherte. In diesem Aufzug würde er meinen Eltern mit Sicherheit einen guten Eindruck vermitteln – wahrscheinlich sogar einen viel besseren, als er sich dachte.
In der Tat stellten Renate und Günther, die ich beim Spaziergang zu mir nach Hause schon rauchend und kichernd auf dem Balkon unserer Ferienwohnung gesehen hatte, nach meiner Ankunft nur wenige, eher rhetorische Fragen, um sich ein klares Bild der Lage zu machen.
1.: »Wie läuft der denn rum?«
2.: »Was machst du überhaupt schon hier, ist doch erst kurz nach Mitternacht?!«
3.: »Habt ihr euch gerade nur mit Küsschen links, Küsschen rechts verabschiedet?«
4.: »Wird das was Ernstes, oder ist das etwa ein warmer Bruder?«
Ich musste mir unglaublich feste auf die Zunge beißen, um nicht wahrheitsgemäß »Ja, beides!« zu sagen – aber schließlich hatte ich keine Stunde zuvor einen Vertrag unterschrieben, der mir absolutes Stillschweigen gebot.
7
Unglück oder Segen?
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