Hochgefickt
verpflichten lassen. Und zwar für einen Nationalspieler so gering, dass Sabine total ausflippte, als sie den Vertrag zum Check vorgelegt bekam. Ihr kleiner Bruder zeigte sich aber in dem Punkt beratungsresistent und verfolgte ungerührt weiter seine Taktik. Ihm war nämlich die weitere, langfristige Aufwertung seines Images wichtiger als die kurzfristige Bezahlung – und das nicht, weil er so ein guter Mensch oder gar (wie vom Stern unterstellt) »der letzte Idealist im harten Profi-Geschäft« war. Zugegebenermaßen hörte es sich so an, wenn er versicherte, es ginge ihm einfach nur darum, wieder zuhause beim BVB Fußball zu spielen, dazu unter seinem Lieblingstrainer, dem er diese großartige Möglichkeit trotz seiner Verletzung zu verdanken habe und für dessen Vertrauensvorschuss er gar nicht dankbar genug sein könne. Das war ja auch nicht alles komplett gelogen, aber unter seinem Heiligenschein brummte als tatsächlicher Motor für diese Taktik die felsenfeste Überzeugung, dass sein scheinbar idealistisches Verhalten unterm Strich die Kasse noch viel mehr klingeln lassen würde.
Als wir unsere Verträge im August unter Dach und Fach hatten und die große Bekanntgabe an die Presse wiederum im kulinarisch gehobenen Rahmen planten, erklärte er Sabine und mir seine Taktik: »Das große Geld im Fußball wird in Zukunft nicht mehr auf dem Platz verdient, sondern daneben. Die finanzielle Zukunft eines Sportlers liegt mehr denn je in der Werbung, und je angenehmer die Leute dich als Person des öffentlichen Lebens finden, je beliebter du bist, desto interessanter bist du für die Wirtschaft als Werbeträger. So einfach ist das. Und was könnte mich momentan beliebter machen als eine idealistische, kämpferische Grundeinstellung, wenn der Rest der Nationalmannschaft als überbezahltes, faules Versagerpack beschimpft wird? Wenn ich es schaffe, bis zum Winter wieder so fit zu sein, dass ich auch spielerisch wieder von mir reden mache, wird nach den Gesetzen des Marktes mit Sicherheit nächstes Jahr jemand einen schönen dicken Werbevertrag mit mir abschließen wollen, der mir das momentane Minus mehr als reinholt.«
Für mich waren die goldenen Zeiten bereits im August ’94 angebrochen – durch den Vertrag, den ich nach Sabines Hin und Her mit dem Sender unterschrieben hatte. Dank ihres Verhandlungsgeschicks brachte mir selbiger nicht nur garantierte dreizehn Sendungen für eine Gage, die ungefähr dem knapp anderthalbfachen Monatsgehalt einer Friseurgesellin entsprach – pro Sendung wohlgemerkt; in der Außenwirkung war die Sendung auch noch so was wie mein Jodeldiplom: Ich hatte endlich »was Eigenes«.
Genauso sah das auch Tom Kosly, in dessen Sendung ich knapp ein Jahr nach unserem ersten Treffen zu Gast war, im Rahmen der Sendestart-Promo von » Echte Sünde «. Schon bei meiner Ankündigung gab er richtig Gas: »Meinen nächsten Gast kennen Sie aus diversen Klatschzeitschriften. Angefangen hat sie als blonde Yoko Ono bei einer deutschen Band, die letztes Jahr einen Hit hatte, jetzt aber, na, sagen wir mal wohlwollend: im Mittelmaß vor sich hin dümpelt. Das kann ihr aber völlig egal sein, denn Luder-Lina hat den Absprung rechtzeitig geschafft und umgeschult: vom Musikergroupie zur Fußballer-Freundin. Seit einem halben Jahr ist sie die Freundin von ›uns Ralf‹ Szibuda, und weil der ja bekanntlich für ein fast schon symbolisches Gehalt in Dortmund antritt, muss sie jetzt anscheinend die Haushaltskasse aufbessern und selbst auch mal arbeiten gehen. Deswegen ist sie heute hier und macht Werbung für ihre neue Sendung › Echte Sünde ‹, herzlich willkommen – Lina Legrand.«
Ich hatte mir vorgenommen, mit leicht fiepsiger Stimme und grammatikalisch kruden Konstruktionen meine neue Rolle als freundliches, nicht allzu helles, dafür aber ziemlich scharfes Dummchen in der Öffentlichkeit kontinuierlich auszubauen. Dazu gehörte auf jeden Fall auch, mich nicht von ihm provozieren zu lassen. Das war nämlich seine Masche.
Tom Kosly hatte sich in der Rangliste der unsympathischsten Deutschen eine recht hohe Platzierung erarbeitet, weil er wirklich gerne und heftig austeilte, gleichzeitig aber gar nicht gut einstecken konnte. Nach seiner Anmoderation war mir klar, dass mein Besuch in seiner Show nur dann kein Debakel für mich werden würde, wenn ich Fähigkeit zur Selbstironie beweisen würde – im Gegensatz zu ihm.
»Hallo Tom, danke für die Einladung!«, strahlte ich erst mal
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