Hochgefickt
mich noch, dass trotz des schönen Wetters irgendwie wenige Leute auf der Straße rumliefen und vor den Cafés saßen, schenkte dem aber keine weitere Beachtung. Schließlich wollte ich nur schnell meine fixe Idee verjagen und dann auf meinem Balkon in Ruhe Zeitung lesen und frühstücken.
Zu Hause angekommen legte ich Nikab, Brötchen und Zeitungen in die Küche, ging ins Bad, wusch mir die Hände und schaltete das Radio ein. Dann setzte ich mich auf die Toilette, während im Radio gerade der alte Sinead O’Connor-Kracher »Nothing compares to you« gen Ende kam, und hielt den eben erworbenen Schwangerschaftstest wie in der Betriebsanleitung empfohlen »in den Mittelstrahl«.
Nun geschahen zwei Dinge nahezu zeitgleich: Zum einen gongte es im Radio, und der Nachrichtensprecher sagte: »Es ist 13 Uhr, hier ist der Westdeutsche Rundfunk mit den Nachrichten: Lady Di ist tot. Die Prinzessin von Wales erlag in den frühen Morgenstunden in einem Pariser Krankenhaus ihren schweren Verletzungen, die sie sich in der Nacht bei einem Unfall zugezogen hatte« – was mich beinahe schon von der Schüssel fallen ließ. Ich war schließlich aufgewachsen mit Lady Di, die Hochzeit der Kindergärtnerin mit Prinz Charles hatten fast alle Frauen des Dorfs damals gemeinsam schniefend bei Sekt und Häppchen in Renates Salon geguckt, und durch die umfassende Berichterstattung der Regenbogenpresse war sie auch die Jahre darauf mehr als präsent. Unglaublich, wie die das geschafft hat, jahrelang immer wieder die am häufigsten fotografierte Frau der Welt zu sein, eine echte Ikone war das.
Ich konnte den einsetzenden Schock über ihren plötzlichen Tod aber gar nicht richtig auskosten, denn synchron zu dem, was ich den Nachrichtensprecher wie durch Watte noch an Details sagen hörte – »aus bisher ungeklärter Ursache verlor der Fahrer ihres Wagens in einem Tunnel die Kontrolle über das Fahrzeug und prallte mit überhöhter Geschwindigkeit gegen einen Betonpfeiler …« –, sah ich auf dem noch tropfenden Schwangerschaftstest zwei leuchtend rote Streifen entstehen.
Das konnte doch wohl alles nicht wahr sein, Lady Di starb, und ich pinkelte meinen Schwangerschaftstest positiv – beides fühlte sich sehr irreal an, an diesem Sonntag im August. Und weder die Hoffnung, dass gleich mein Wecker klingelte und das alles nur ein Traum sei, noch die Hoffnung, dass einer der zwei Streifen ja vielleicht einfach wieder verschwinden möge, bewahrheitete sich, egal wie oft ich nachsah.
Während ich also, statt mein Frühstück auf dem Balkon zu mir zu nehmen, fassungslos vor dem Fernseher saß, um mir Sondersendungen über das Leben von Lady Di und ihren Verkehrsunfall in Paris reinzuziehen, wurden mir allmählich auch die Fakten meines »Verkehrsunfalls« immer klarer. Gut, im Vergleich zu Lady Di hatte ich es echt besser erwischt, keine Frage, aber trotzdem musste ich dieses nicht unerhebliche Gefühlschaos aus Zweifeln, Wut, Euphorie und amtlichem Schockzustand in akuter Nervenzusammenbruchsnähe erst mal irgendwie geordnet bekommen, ganz für mich alleine.
15
Die Beerdigung von Lady Di
und andere Geschäfte
(September 1997)
Die folgende Woche war wie dafür gemacht, dass ich – ganz reduziert auf mich und die aktuelle Situation – mir über einiges klar werden konnte: Jens schipperte in der Ägäis herum, meine Eltern urlaubten auf Capri, Ralf absolvierte irgendwo im Ausland schon wieder erste Trainingseinheiten mit der Nationalmannschaft, die definitiv letzten Drehtage bis zur Schlussklappe ließen sich endlich an zwei Händen abzählen, und egal ob medial oder im persönlichen Gespräch am Set, beim Bäcker oder sonst wo: Alle drehten total durch wegen Lady Dis Tod.
Besonders spannend fand ich die Diskussion um die moralische Schuld der Regenbogenpresse am Unfall, die natürlich vor allem in den Medien geführt wurde, die sich öffentlich als Wächter der guten Sitten und ethischer Korrektheit aufspielten, sich aber währenddessen hinter den Kulissen schon darum prügelten, wer wie exklusiv die Sende- und Fotorechte der Trauerzeremonie bekommen sollte. Was war das doch alles für ein pietätloser Scheiß: Eine junge Frau, die Mutter zweier viel zu kleiner Kinder, war tot, und noch bevor man sie angemessen unter die Erde bringen konnte, wurde sich schon gestritten um Marken- und Verwertungsrechte. Aber so läuft das Geschäft nun mal, denn dass mit dieser furchtbaren Tragödie richtig viel Geld zu verdienen war, das stand
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