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Hochsaison. Alpenkrimi

Titel: Hochsaison. Alpenkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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dann gibt es noch eine Möglichkeit«, mischte sich Angerer ein. »Der Schütze selbst hat den Ski verschwinden lassen. Um Beweismaterial zu beseitigen.«
    »Herr Oberforstrat«, sagte Jennerwein mit mildem Spott, »jetzt überlegen Sie doch mal: Ist das realistisch? Jemand schießt auf den Dänen, geht dann hin, um Spuren zu beseitigen? Welche Spuren eigentlich? Wenn der Ski nicht weggeflogen wäre, was dann? Und das Ganze kommt nur auf, weil ein Oberforstrat, der früher mal Skispringer war, etwas genauer hingeschaut hat.«
    »Ich hab ja nur gemeint«, sagte der Angesprochene beleidigt. »Ich wollte ja nur helfen. Aber dann halt nicht.«
    »Mal ganz ehrlich, Herr Angerer. Nachdem im Fernsehen tausendmal gezeigt worden ist, dass der rechte Ski verschwunden ist, kommen Sie und erzählen uns, dass genau dieser rechte Ski beschossen worden ist?«
    Jetzt wurde der Oberforstrat ärgerlich.
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Ich habe ja auch nur gemeint«, sagte Jennerwein besänftigend. »Ohne Schussspuren am Ski ist die ganze Theorie nicht haltbar.«
    Der Angerer Willi war aber nicht mehr zu besänftigen. Er war stocksauer. Er machte eine wegwerfende Handbewegung, murmelte noch etwas, was niemand im Raum genau verstand, was aber wie
Saubande, verfluchte!
klang. Er erhob sich mit eiserner Miene. Jennerwein schlug einen amtlichen Ton an.
    »Herr Oberforstrat, bleiben Sie noch einen Moment. Ich habe eine Frage an Sie. Ich brauche Ihre – äh – fachliche Meinung dazu. Kann man denn so genau zielen, dass man genau den Ski eines Springers trifft?«
    »Schon«, sagte Angerer einsilbig. »Ein Tontaubenschütze zum Beispiel.«
    »Und von wo aus könnte so ein Tontaubenschütze geschossen haben?«
    »Da gibt es hunderttausend Möglichkeiten. Vom Hang aus, von ein paar kleinen Waldstücken aus. Von der Terrasse des Hotelrestaurants aus. Vom Schiedsrichterturm aus. Aus der Menge heraus – was weiß ich.«
    Angerer, der Grünrock, nahm seinen Parapluie im Waffenrock, verbreitete damit noch etwas Waldatmosphäre, unterschrieb seine Aussage und verabschiedete sich. Er schien überhaupt nicht damit zufrieden zu sein, dass seine Theorie auch auf dem Revier nicht ernst genommen wurde. Nachdem er gegangen war, wandte sich Jennerwein an die beiden Ortspolizisten.
    »Wir machen es so. Ich bleibe heute hier und wir versuchen morgen, dieser Theorie nachzugehen. Wir gehen zum Schanzengelände, ich will mir das einmal genauer ansehen. Ich lasse Hansjochen Becker und seine Spurensicherer kommen, die werden messen und rechnen und computersimulieren und was weiß ich noch alles. Vielleicht durchkämmen wir das Gelände auch nochmals. Wie viele Leute haben Sie?«
    »Eigentlich gar keine.«
    »Trifft sich gut. Ich eigentlich auch nicht.«
    »Wo wollen Sie übernachten, Hauptkommissar?«
    Jennerwein seufzte. Wenn er das geahnt hätte, hätte er ein Buch zum Lesen mitgenommen. Fernsehen und die Minibar plündern waren seine Sache nicht.
    »Die Leitstelle in München hat natürlich diesmal keine Wohnung für mich organisiert. Und Sie haben noch immer keine Gästezimmer?«
    »Sieht man von unseren Zellen ab: nein.«
    »Was können Sie mir empfehlen?«
    »Gästehaus Edelweiß, Gästehaus Gipfelglück oder, etwas außerhalb, Pension Alpenrose.«
    »Ich kenne alle drei nicht. Edelweiß, das klingt gut, das nehme ich. Wird schon passen.«
    Später musste Hubertus Jennerwein oft daran denken, dass er sich und den Bewohnern des Kurorts viel erspart hätte, wenn er sich an diesem Tag nicht für das Gästehaus Edelweiß, sondern für die Pension Alpenrose mit ihrer Direktrice Margarethe Schober entschieden hätte. Aber hinterher ist man natürlich immer schlauer.

11
    Die Frau mit dem Lederhut betrachtete ihre Schuhe. Sie trugen hier alle Schuhe mit Sohlen aus Bärenleder und Oberteilen aus Hirschleder, auf die Sohlen war ein Netz aufgenäht, in das Gras gestopft wurde, das als Kälteschutz diente. Die Oberteile aus Hirschleder waren verschieden gefärbt, das konnte die Zugehörigkeit zu einer Gruppe zeigen, aber auch den sozialen Status. Das Oberleder ihrer Schuhe reichte bis an die Knöchel, war dort mit einer Schnur zusammengebunden, und der ganze Schuh erstrahlte in einem hellen Rosa, das der Morgenröte ähnlich sein sollte. Ihre Schuhe liefen vorne spitz zu, das Leder war dort fest zusammengenäht und mit einem Stückchen weichem Nussholz versteift. Die Frau mit dem Lederhut bewegte ihre Zehen und wippte mit diesen Spitzen. Man konnte damit nicht

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