Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Hochsaison. Alpenkrimi

Titel: Hochsaison. Alpenkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
Vom Netzwerk:
festgefrorenen Felder von Huglfing flogen vorbei, sanft geschwungene Äcker, unter denen jetzt schon die Rapssamen lauerten, die im Frühjahr die Landschaft quietschgelb färben würden.
     
    Jennerwein war von seinem Chef wegen dieser obskuren Angelegenheit in den Kurort geschickt worden. Die Meldung über den Sturz des Dänen war durch alle Medien gegangen. Ein Zeuge wollte einen Schuss gesehen haben, der Zeuge hatte das auch halbwegs plausibel dargestellt. Und bei einem noch so vagen Verdacht auf ein Kapitalverbrechen musste halt nun einmal ein Kriminaler ran. Als ob der Kriminaler nichts anderes zu tun hätte, dachte Jennerwein. Der obskure Zeuge hieß – Moment – Willi Angerer, aber jetzt musste man einfach aus dem Fenster sehen, die ersten Vorläufer der Alpen tauchten auf, wuchtig und urtümlich grüßten Karwendel und Wetterstein, silbrig glitzernde, vielzackige Arrangements von schmucken Zweitausendfünfhundertern, manche der Riesen konnte man bei Föhn schon von München aus erkennen, andere wiederum, wie etwa den Daniel, den kegeligen Piz Protz drüben in Tirol, den kleinen unverschämten Gruß aus Österreich, sah man erst beim Näherkommen. Das Murnauer Moos glitt vorbei. Krähen flogen auf, wie von einer Schaufel hochgeworfen, und stürzten zurück auf die loipenverzierten Schneehügel. Vor einigen Millionen Jahren, im Mesozoikum, war hier der Meeresgrund gewesen.
Und dort, wo jetzt die Krähen landeten, tauchten wohl einst ihre Vorfahren, die Pterosaurier, die gefürchteten Räuber des Meeres, nach Essbarem.
    Eschenlohe und Farchant glitten vorbei, dann hielt der Zug, es war die letzte Station vor Österreich. Jennerwein griff nach seiner Aktenmappe und stieg aus. Die beiden Polizeiobermeister vor Ort, Johann Ostler und Franz Hölleisen, holten Hubertus Jennerwein vom Bahnhof ab. Obwohl sie im vergangenen Jahr ein paar Wochen intensiv mit dem Hauptkommissar zusammengearbeitet hatten, hätten sie ihn fast nicht wiedererkannt. Nicht, weil er sich so verändert hatte, sondern weil Hubertus Jennerwein der unscheinbarste und unauffälligste Mensch war, den sie je getroffen hatten. Er war einer, dessen Gesicht man nicht behielt, selbst wenn man ihm zwei Stunden im Zug gegenübergesessen hatte. Er hatte nichts Prägnantes, Hervorstechendes, selbst seine Augenfarbe war undefinierbar, irgendetwas zwischen grün, braun und blau, s
onderbar s
tand im Pass. (Nein, stand nicht drin, aber man konnte es sich vorstellen.) Manche behaupteten allerdings, dass er eine gewisse Ähnlichkeit mit Hugh Grant hätte. Sein volles, dunkles Haar war modisch kurz geschnitten. Er war immer glatt rasiert und sein schmales Gesicht war mit sympathischen Lachfältchen durchzogen. Mit einem Wort: Er sah aus wie Hugh Grant – und wie zwei Milliarden andere Männer auch. Auf dem Polizeirevier wartete schon der Zeuge, bereit, seine Aussage zu wiederholen. Johann Ostler brühte Kaffee auf und man setzte sich.
    »Herr Angerer«, begann Jennerwein, »Sie haben eine Beobachtung gemacht.«
    »Ja, Herr Kommissar, das habe ich.«
    Jennerwein betrachtete den Zeugen. Der Oberforstrat trug, als ob er einem besonders vereinfachten Kinderbuch entstiegen wäre, nur grünes Gewand, sogar der Ledermantel, den er übers
Knie gelegt hatte, war in Dunkelgrün gehalten. Ein mächtiger, gezwirbelter Bart verdeckte sein Gesicht. Der Bart war nicht grün, aber viel fehlte nicht. Hinter dem Oberforstrat lehnte eine Gewehrhülle. Man glaubte den Geruch von Pulverdampf zu schnuppern.
    »Ihre Waffe, Herr Angerer?«
    »Ja, natürlich nur zu meinem Schutz.«
    Ostler und Hölleisen gackerten mit kaum verhohlener Albernheit vor sich hin. Was war denn in die gefahren? Summten die beiden nicht sogar die ersten Takte des Liedes vom Wildschütz Jennerwein?
Er war ein Schütz in seinen besten Jahren …
Oder täuschte er sich?
    »Nur zu Ihrem Schutz, aha. Aber Sie sind doch – wie soll ich sagen – pensioniert?«
    Jennerwein wollte sich hier nicht aufspielen, solche Vergehen waren Sache der örtlichen Beamten hier, aber in einer Zeit, in der der Waffenmissbrauch wieder zunahm? Andererseits war der Oberforstrat immerhin ein Mitarbeiter im öffentlichen Dienst gewesen, so etwas wie eine Vertrauensperson. Einerseits, andererseits. Er blickte zu Ostler und Hölleisen. Die gickerten und prusteten, dass es eine Freude war.
    »Pack es aus, das Gewehr, Willi!«, sagte Ostler. Angerer nahm einen Regenschirm aus der Hülle.
    »Zu meinem Schutz«, sagte er.
    »Seltsame Scherze

Weitere Kostenlose Bücher