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Hochsaison. Alpenkrimi

Titel: Hochsaison. Alpenkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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auf einem Polizeirevier«, murmelte Jennerwein, spreizte Daumen und Mittelfinger, und massierte seine Schläfen mit einer Hand, um sich zu entspannen.
     
    Hölleisen legte eine Kassette in den polizeieigenen Videoapparat. Der Sprung von Åge Sørensen, der die letzten Tage immer wieder gesendet worden war, erschien auf dem Schirm.
    »Ich war selbst einmal aktiver Skispringer«, sagte Willi Angerer zu Jennerwein. Die beiden Ortskundigen verdrehten die
Augen und nickten wissend. Oberstdorf 1959, beim Ausscheidungsspringen für Squaw Valley 1960, klar.
    »Ach ja?«, sagte Jennerwein höflich interessiert. Anstelle einer Antwort stand Angerer auf. Er ging mit angewinkelten Armen in eine langsame Halbhocke, schlug dann beide Arme nach hinten, richtete sich gleichzeitig auf und verlagerte sein Gewicht, soweit es ihm möglich war, nach vorne. Er hatte die Augen weit aufgerissen, blickte in eine ideale Ferne, vielleicht ins Paradies, vielleicht noch weiter, stand jedenfalls eine Zeitlang so da.
    »Ehrlich gesagt bin ich jetzt etwas verunsichert«, sagte Jennerwein zu Angerer. Lauter Verrückte hier in dieser Gegend, dachte er insgeheim. Wahrscheinlich lag das am Föhn, der jeden, der längere Zeit im Tal lebt,
bloaßdappasch
macht – was nur unzulänglich mit »völlig verrückt« übersetzt werden kann.
    »Jens Weißflog? Matti Nykänen?«, rieten Ostler und Hölleisen.
    »Falsch. So lag damals Helmut Recknagel in der Luft«, sagte Angerer und richtete sich wieder auf. »1962 im polnischen Zakopane. Man muss sich das einmal vorstellen: Einer der Kampfrichter hat nur 16.0 Punkte dafür gegeben. Fünfmal 20.0 Punkte hätte er verdient!« »Schön. Aber jetzt zu unserem Fall«, sagte Jennerwein.
    Angerer lockerte sich und nahm wieder Platz.
    »Ich habe mir die Fernsehbilder jetzt oft genug angesehen«, begann er. »Es gibt verschiedene Theorien. Ein Windstoß. Ein Krampf. Die Sportreporter –«
    »– haben das doch schon hundertmal durchgekaut«, kürzte Jennerwein ab. »So wie ich das verstanden habe, ist die derzeitig favorisierte Theorie die, dass Åge Sørensen richtiggehend überrascht gewesen sein muss, gar so gut weggekommen zu sein vom Schanzentisch. Er war deswegen einen Moment lang unaufmerksam –«
    »Und das glaube ich eben nicht«, unterbrach der Angerer Willi und sein mächtiger Bart zitterte leicht. »Einer, der in der Weltspitze springt, ist nicht überrascht, gut weggekommen zu sein. Könnt ihr einmal auf Superzeitlupe schalten?«
    Das Polizeirevier war gut ausgerüstet. Åge sprang nochmals gaaaaanz langsam.
    »Aber auch das haben wir doch schon im Fernsehen gesehen«, sagte Ostler.
    »Aber jetzt kommts. Hier sehen Sie: Der rechte Fuß rutscht leicht weg. Wenn Sørensen den Fuß selbst bewegt hätte, würde das anders ausschauen. Ich glaube, da hat einer auf den rechten Ski geschossen.«
    »Sie meinen, es war ein Schuss?«
    »Genau das meine ich. Ich bin Skispringer und Schütze. Ich kenne mich beim Springen und Schießen aus.«
    »Herr Angerer, lassen wir das einmal so stehen. Dann müssten auf dem Ski ja Spuren des Geschosses sein.«
    »Unser Problem ist halt«, sagte Hölleisen, »dass dieser rechte Ski, von dem der Willi da redet, verschwunden ist.«
    »Verschwunden?«, fragte Jennerwein.
    »Ja, haben Sie sich denn das Neujahrsspringen nicht angeschaut?«
    Jennerwein schüttelte den Kopf.
    »Ich weiß, ich bin ein rechter Sportmuffel. Ich habe zu Hause auch keinen Fernseher. Ich bin von einem Unfall ausgegangen, ich habe das Ganze deshalb auch nicht weiter verfolgt.«
    Ostler spulte weiter.
    »Hier: Der Ski löst sich, rutscht in die Menge, verschwindet darin.«
    »Haben Sie –«
    »Natürlich haben wir!«, sagten Ostler und Hölleisen gleichzeitig. »Wir haben diesen Teil des Geländes gleich am nächsten Tag abgesucht.«
    »Niemanden wird es überraschen, dass wir ihn nicht gefunden haben, den rechten Ski«, sagte Hölleisen.
    »Wir haben ein paar Leute in diesem Areal identifiziert, wir haben sie auch schon befragt«, sekundierte Ostler. »Niemand hat natürlich auf den Ski geachtet, alle haben wie gebannt auf den Unfall selbst gestarrt.«
    »Vielleicht hat ihn sich ein Fan unter den Nagel gerissen«, sagte Jennerwein. »Als Trophäe. Bei Verkehrsunfällen haben wir manchmal auch so ein Problem.«
    Hölleisen nickte.
    »Das wäre eine Möglichkeit, ja. Auch die Herstellerfirma des Skis hätte Interesse, dass die Marke nicht mehr in Verbindung mit einem grausligen Unfall zu sehen ist.«
    »Und

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