Hochsaison. Alpenkrimi
dessen poetischen Widerhall.
»Aber ich bin doch der Fachmann.«
»Wenn es Ihnen Freude bereitet, dann gehen Sie raus und suchen sich selbst etwas zum Sammeln und Spielen. Dieses Tütchen bleibt hier«, sagte Jennerwein und wandte sich von dem enttäuschten Vertreter der großen Weltfirma ab.
»Wie sieht es bei Ihnen aus, Ostler?«
»Mein Fund ist, wie soll ich sagen, ziemlich peinlich«, entgegnete dieser. »Die Hunde haben etwas aufgestöbert, dort hinten, fast am Waldrand.«
»Ja«, sekundierte Hölleisen kleinlaut. »Die beiden Mantrailer, Skylla und Charybdis, sind eigentlich auf den Ski von Åge Sørensen heißgemacht worden. Sie haben plötzlich gewinselt und gegraben. Wir haben mitgeholfen und plötzlich lag ein halbes Dutzend Knochen frei.«
»Ja«, fuhr Ostler fort. »Zuerst ist uns fast das Herz stehen geblieben.«
»Die Knochen hatten eine verdammt große Ähnlichkeit mit menschlichen Oberschenkelknochen.«
»Wie bitte?«
»Wir sind medizinische Laien. Kein Doktor weit und breit, drum haben wir schnell ein Handy-Bild gemacht und in die Gerichtsmedizin geschickt.«
»Und?«
»Die haben sich kaputtgelacht. Aber wir habens uns auch schon gedacht. Vor der Fundstelle steht bei den großen Sportveranstaltungen normalerweise eine ambulante Imbissbude.«
»Lassen Sie mich raten: Spezialität sind echt bayrische Kalbshaxen?«
»Ja. Und den Rest kann man sich denken. Wir haben die Knochen also nicht zu den Beweismitteln gegeben.«
Der Vertreter der weltberühmten Skifirma mischte sich wieder ein.
»Das wäre aber doch die perfekte Möglichkeit, Leichen verschwinden zu lassen. Man vergräbt sie nachts hinter einer Imbissbude, und bedeckt sie mit Kalbsknochen. Man zeigt den Fund selbst an, die herbeigeholten Polizeihunde schlagen an, aber nach der Untersuchung des ersten Knochens heißt es: Falscher Alarm –«
»Ich werde es mir merken«, sagte Jennerwein. »Wenn ich mal vorhabe, mein Team gegen ein anderes auszutauschen. Und nicht weiß, wohin mit dem alten. Jetzt aber weiter.«
Jennerwein blickte in Richtung von Kommandant Becker und seinen Digitalhusaren.
»Gisela hat ganze Arbeit geleistet«, sagte dieser. »Um ein Haar hätte sie den Schanzenrekord der Damen gebrochen.«
»Wie geht es ihr?«
»Sehr gut. Wir haben sie nicht auf den harten Boden stürzen lassen, wir haben ihr ein paar weiche Matten ausgelegt. Trotzdem hat sie die Überlebenschancen berechnet.«
»Und?«
»Drei Prozent. Aber das war ja gar nicht der Untersuchungsgegenstand. Kommen wir zur vorläufigen Auswertung. Wir wussten ja nicht, mit welchem Kaliber der Ski von Sørensen beschossen worden ist – oder sein soll. Ein Luftgewehr wars nicht, das reicht nicht so weit, und Old Shatterhands Bärentöter, der auf sieben Meilen Entfernung angeblich noch trifft, wird es auch nicht gewesen sein. Wir haben einen Mittelwert von 5,45 mm angenommen, das würde auch in etwa so eine Ablenkung bewirken, wie wir sie im Film gesehen haben. Bei Gisela reißt es jetzt den Ski ziemlich stark weg, sie ist ja nicht darauf programmiert gewesen, ihren Kurs zu halten und gegenzusteuern. Bei Sørensen hat es den Ski mit ähnlicher Wucht abgelenkt, aber der Däne hat kraftvoll und geschickt dagegengesteuert. Er hat es zwar nicht ganz geschafft, wie wir alle wissen – aber so ein schlechter Skispringer kann er nicht gewesen sein. Er hat schier heldenhafte Anstrengungen unternommen, dagegenzuhalten.«
»– immer vorausgesetzt, dass die These Angerers stimmt«, fügte Jennerwein hinzu. »Ich darf trotz aller sicherlich interessanten Funde und Befunde festhalten, dass wir heute überhaupt nichts entdeckt haben, was eine Fremdeinwirkung beweisen würde. Keine Kugel, kein Ski, kein weiterer Zeuge –«
Jennerwein machte eine ähnlich große Pause wie vorhin Becker. Alle warteten auf das entscheidende Massa-Wort, auf das Statement des Chiefs, auf die Rede des Großen Vorsitzenden. Jennerwein fasste sich kurz.
»– deshalb werde ich meinem Chef und der Staatsanwältin heute noch vorschlagen, die Ermittlungen einzustellen.«
Basta. Keine Kugel, kein Ski. Keine Blutspur, die sich vom Schanzengelände über den Richtertisch bis in die Einzelzelle
einer abgelegenen JVA zieht, in der wildgewordene Sporthasser und Dänenschänder lebenslang dahinschmoren.
»Dann packen wir zusammen?«
»Ja.«
Es war jetzt früher Nachmittag, einige Schaulustige hatten sich inzwischen schon angesammelt, sie konnten jedoch nur noch den Rückzug des Teams
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