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Hochsaison. Alpenkrimi

Titel: Hochsaison. Alpenkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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ist noch nicht bei Bewusstsein und er sieht so aus, als ginge es ihm vorläufig nicht schlechter. Ich will deshalb die Operation vorher vorsichtshalber an einem anderen Objekt ausprobieren.«
    Ein kleines schreckhaftes Blitzen erschien in Shans Augen.
    »Nein, keine Angst«, sagte Wong, »ich gehe nur schnell zur Metzgerei um die Ecke.«
     
    Mit den Metzgereien um die Ecke ist das aber jetzt in Bayern so eine Sache. Shan und Wong wussten nicht, dass sich in den bayrischen Fleischhauereien die geschwätzigsten Geschäftsleute des Ortes tummelten und dass man dort nicht einfach und wortlos ein Stück Schinken zum Probeschießen kaufen kann. Wong trat ein und die Metzgerin sprang ihn fast an, so kundenorientiert war sie.
    »Was wollen der Herr denn?«
    »Ich möchte zehn oder fünfzehn Kilo Fleisch.«
    »Haben der Herr was Größeres vor? Wollen wir grillen?«
    »Ja. Ich habe da draußen im Schaufenster ein Schweineviertel gesehen, das will ich kaufen.«
    »Jetzt im Winter wollen Sie grillen? Andere Länder, andere Sitten, gell!«
    »Geben Sie mir einfach das Stück da.«
    »Ja, mit Freunden grillen macht immer mehr Spaß!«
    »So ist es.«
    »Aber das bekommen Sie ja gar nicht in den Ofen! Ich mach’s Ihnen klein.«
    »Nein, bloß nicht!«
    »Wie Sie wollen. Kochen Sie nicht chinesisch?«
    »Doch, doch.«
    »Und ich dachte immer, die Chinesen schnetzeln alles.«
     
    Wong hätte gedacht, dass das unauffälliger ging. Er packte die halbe Schweinehälfte auf die Schulter und ging zurück zur Pension Alpenrose. Frau Margarethe Schober war so vertieft in die
Drei Herzen im Zwiespalt
, dass sie nichts von der schweinernen Last des Chaoyangers mitbekam. Im Zimmer oben angekommen, packte Wong seinen Einkauf aus und beschoss ihn aus ein paar Metern Entfernung. Dann nahm er die Pinzette des alten Dr. Steinhofer und stocherte im Einschusskanal der Schweineschulter herum. Triumphierend hielt er nach einiger Zeit eine Kugel hoch.
    »Probier es zur Sicherheit nochmals«, sagte Shan.
    Wong schoss abermals auf die arme Sau, die doch auf einem gutbürgerlichen, schön arrangierten Mittagstisch landen sollte, als Medaillon vielleicht oder als klassischer Schweinsbraten, und nun auf eine Weise zweckentfremdet wurde, die sich die neugierige Fleischhackerin nie hätte träumen lassen. Und die durch ihre Verratschtheit auch ein bisschen in Lebensgefahr gekommen war.
    »Und jetzt bei Xun Yü«, sagte Shan in bestimmtem Ton. Sie war zum Führer der kleinen Gruppe aufgestiegen.
    Doch als er sich mit der Pinzette näherte, bemerkten Shan und Wong, dass Xun Yü die Augen geöffnet hatte.
    »Habt ihr die Kugel schon entfernt?«, sagte er leise, aber deutlich. »Ich spüre keine Schmerzen mehr. Wer von euch hat mich operiert?«
    »Niemand von uns hat dich operiert.«
    Dass Xun Yü überhaupt keine Schmerzen mehr verspürte, das hätte Shan und Wong stutzig machen müssen, aber sie dachten sich nichts dabei und freuten sich für den Terminator.
    »Ich bin noch etwas benommen, aber mir ist so, wie wenn alle Schmerzen auf einen Schlag weggeblasen worden wären.«
    Er machte Anstalten, aufzustehen, sich zu reinigen, sich anzukleiden und die Führung der schlagkräftigen Dreiertruppe wieder zu übernehmen. Doch die Beine gehorchten ihm nicht, auch die Arme versagten ihren Dienst, Xun Yü konnte lediglich den Kopf bewegen. Er war querschnittsgelähmt. Die letzte Aktion des armen Dr. Steinhofer war erfolgreich gewesen: Durch den Stich mit letzter Kraft hatte er eine inkomplette Halsquerschnittslähmung S 14 bei seinem Peiniger herbeigeführt. Das Skalpell war stecken geblieben, doch auch das spürte der Terminator nicht mehr.
     
    »Du weißt, was eine solche Lähmung bedeutet?«, sagte Shan.
    »Ja, das weiß ich.«
    »Bei guter ärztlicher Betreuung hast du durchaus Überlebenschancen. In Chaoyang gibt es Spezialkliniken –«
    »Und wie wollt ihr mich nach Chaoyang bringen, ihr Hohlköpfe?«, unterbrach Xun Yü unwirsch. »Das Projekt, das wir durchführen wollen, muss ohne mich weitergeführt werden.«
    »Dann wäre mein Vorschlag der«, sagte Wong nach einer Pause, »dass wir dich ein paar hundert Kilometer von hier wegbringen und dich vor irgendeiner Klinik aussetzen. Du gibst dich als Opfer der Sun-Yee-On-Triaden aus. Und bis die Fährte hierher aufgenommen werden kann, haben wir Zeit, unsere Spuren zu verwischen und zu verschwinden.«
    »Nein, so werden wir es nicht machen«, sagte Xun Yü in befehlsgewohntem Ton. »Die Gefahr, dass unsere

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