Hochsaison. Alpenkrimi
Pläne entdeckt werden, ist zu groß. Das Projekt, das das Ansehen unseres Landes mehren wird, darf nicht gefährdet werden.«
Er hielt nun eine Rede vor seinen beiden Kadetten, in der es um heldenhafte Aufopferung ging, um die Unterordnung unter größere, weitreichendere Ziele und um die Ehre Chaoyangs.
»Wir haben die Aktion gut vorbereitet, Freunde«, sagte er mit bebender Stimme. »Du, Wong, hast hervorragende Arbeit geleistet. Und auch du, Shan, hast deine Aufgabe glänzend gemeistert. Ich weiß nicht, welche feige und hinterhältige Ratte es war, die auf mich geschossen hat. Aber das ist nicht so wichtig. Wichtig ist, dass die Olympischen Spiele im Jahre 2018 in Chaoyang stattfinden.«
Xun Yüs Stimme war jetzt so markig geworden, dass sie für die Ansprache auf einem Appellplatz gereicht hätte.
»Unser kühner Plan, einen Anschlag auf Jacques Rogge durchzuführen, wurde vereitelt. Aber wir haben einen Plan B, denn Rogge kommt im Frühjahr noch einmal hierher in den Ort. Holt Hilfe und greift ihn ein zweites Mal an. Führt den Plan ohne mich zu Ende.«
Shan und Wong schwiegen betreten.
»Wir erschießen dich also«, sagte Wong leise.
»Nein«, sagte Xun Yü, »erschießen ist nicht ehrenvoll für einen verdienten Mann wie mich. Verwendet das Ka-to, ihr wisst den Weg ins Herz.«
»Jetzt gleich?«, fragte Wong.
»Jetzt gleich«, sagte Xun Yü.
Und so musste es wohl auch geschehen. Xun Yü, der Terminator, war der Chef. Sein Wort galt. Wong holte sein
Gnadgott
heraus, setzte die Spitze an der Brust Xun Yüs an und stieß zu. Der terminierte Terminator hatte keine Schmerzen, doch es war etwas schiefgegangen, Blut rann ihm aus dem Mund, aber er lebte noch. Wong zog das kleine Rapier heraus und wollte es noch einmal versuchen.
Es klopfte an der Tür.
»Ich habe die Tiefkühltruhe saubergemacht«, schrie Frau Margarethe Schober von draußen. »Wollen Sie sie gleich rauftragen?«
Shan und Wong gingen zur Tür und öffneten. Sie hatten sich die Haare zerzaust und taten so, als wären sie gerade bei einem der Liebesspiele des alten Pai-Ti-O'o gestört worden. Wong hatte sogar die Hose geöffnet.
»Übertreib es nicht«, hatte Shan gesagt.
»Ach so«, sagte Frau Schober und sah an Wong herunter.
»Macht nichts«, sagte Wong.
»Überhaupt nichts«, sagte Shan. »Wir sind ohnehin fertig. Wir kommen gleich mit.«
Die beiden gingen mit, in den Keller, Frau Schober musste erst eine Tür aufsperren, sie bestand darauf, die Funktionsweise der Tiefkühltruhe anhand der Gebrauchsanweisung zu erklären. Die beiden trugen die Tiefkühltruhe über die Treppe hinauf, setzten sie vor der Tür ab und unterhielten sich noch einige Zeit höflich mit der Pensionswirtin. Sie wollten auf keinen Fall irgendein auffälliges Verhalten an den Tag legen. Als sie schließlich gegangen war, stürzten Shan und Wong atemlos ins Zimmer und mussten feststellen, dass Xun Yü inzwischen gestorben war. Die aufgerissenen Augen und der verzerrte Mund verrieten einen qualvollen Tod. Er war erstickt. Es war das erste Mal, dass Wong mit seinem Ka-to nicht richtig getroffen hatte.
Die Tiefkühltruhe von Frau Schober war fast zu klein für zwei Leichen, Wong hatte einige Mühe, beide hineinzupressen. Shan, die Lotusblüte, setzte sich an den Tisch, klappte ihre Reiseschreibmaschine auf und begann einen Brief zu schreiben.
18
Ilse Schmitz fluchte, sie war im Netz gelandet, knapp einen Meter über der tosenden Wasseroberfläche, und weil sie momentan niemand hören konnte, fluchte sie wie ein Oberammergauer Holzschnitzerlehrling.
Kreizkruzifixalleluia
war noch der druckbarste Fluch. Hier unten in der Höllentalklamm war es eisig kalt, wenn nicht bald jemand mit einer warmen Decke käme, würde sie sich einen derben Schnupfen holen, die nächsten drei Tage krank im Bett liegen, an wichtigen karrierefördernden Gesprächen nicht teilnehmen können, deshalb nicht in den mittleren Führungskreis aufsteigen, sich das Haus am Starnberger See nicht mehr leisten können – oder zumindest keinen neuen Winterwhirlpool einbauen lassen können. Beim Herunterstürzen hatte sie ihre schönen jungsteinzeitlichen Fell-Stilettos verloren, am meisten fror sie deshalb an den Füßen, sie fühlte, wie die Erkältung von dort aus ihren Anfang nahm und sich über die ganze restliche Ilse Schmitz ausbreitete. Gerade gestern war sie noch beim Friseur gewesen, jetzt war sie patschnass, und ihre spiralig herunterfallenden Locken (die Risikobereitschaft und
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