Hochsaison. Alpenkrimi
Taffheit ausdrücken sollten, wie der Imageberater gesagt hatte) klebten ihr an der Backe. Frau Ilse Schmitz, die Stellvertreterin der zweiten Personalchefin der Firma QQu, die unbedingt eine erste solche werden wollte, rollte sich ungeschickt herum und beschloss, allein und ohne fremde Hilfe vom Sicherungsnetz herunterzuklettern – vielleicht brachte das ja noch ein paar zusätzliche Punkte bei einem solchen
high risk adventure event
.
Früher einmal waren Skifahren, Wandern und Klettern naturgemäß die sportlichen Hauptangebote eines alpenländischen Tourismuszentrums, früher, viel früher – doch mit solch abgestandenen Fortbewegungsarten konnte man die Jungen (das waren für den Kurort die unter sechzig) nicht mehr locken. Die Geschäfte der Agenturen, die so etwas noch anboten, liefen auf Grundeis. Der klassische Bergführer mit Knebelbart und langem Stock hatte längst ausgedient. In einem nächsten Schritt hatten sich abgehalfterte Sportgrößen über das Rafting, Trecking und Base-Jumping hergemacht, doch auch solche Großmuttersportarten waren inzwischen out. Denn wie würde es sich in Barcelona beim Manager-Meeting ausnehmen, wenn man erzählte, dass man mit Rosi Mittermaier beim Slow-Walking Eichkätzchen gefüttert hätte? Uncool. Gut hingegen konnten sich auf dem Outdoor-Event-Markt workshopbegleitende, gefährlich anmutende Adventurespiele behaupten, und genau auf dieser Welle ritt die Münchner Incentive- und Eventagentur IMPOSSIBLE . Sie bot besonders ausgefallenen Nervenkitzel für Extremtouristen an, im Programm standen: Nacktklettern, Steilwandpolo, historisches Berggehen, Wanderung mit ungeeignetem Schuhwerk, Lawinenhopping auf künstlichen Lawinenabgängen, Bergbahnsurfen, Weinverkostungen in reißendem Wildwasser, Hochgebirgslesungen, inszenierte Begegnungen mit Bären und Yetis und viele andere mondäne Verrücktheiten mehr, die sich hauptsächlich an ein verwöhntes Business-Publikum richteten.
Das Fremdenverkehrsamt des Kurorts war begeistert, zog man doch durch solche Aktivitäten ein neues, zahlungskräftigeres Publikum an. Selbst die Unfälle, die ab und zu passierten, warben indirekt für den Tourismus: In den Bergen geht es eben gefährlich zu, das ist das Wesen von beidem, der Wirtschaft und den Alpen. Und auch Bergsteigen ist eben kein Halma.
Frau Schmitz hatte hier im Kurort an einer Tagung zum Thema Personalführung teilgenommen, einen Workshop mit dem Titel
Unser Personal – unser Kapital
besucht, was eine Umschreibung dafür war, wie man die luschigsten Luschen im Arbeitsleben schnell und ohne juristische Nachspiele wieder losbringt. (Oder, auf höheren Ebenen, auf Positionen hievt, wo sie keinen Schaden mehr anrichten können, die Luschen.) Es wäre ein No-go gewesen, nicht an dem angegliederten Event »Ab in die Jungsteinzeit« teilzunehmen. Kaum jemand konnte die Frage beantworten, was der tiefere Sinn von solchen teuren Spielen war, aber irgendwie hielt sich die von Arbeitspsychologen verbreitete These, dass sie teambildend seien.
Es hatte eine Einführung gegeben, man musste das Gebrüll eines gefährlichen Säbelzahntigers von dem eines ungefährlichen Mammuts unterscheiden, floh man vor dem zweiteren, gab es Punktabzug. Bei einem
adventure
tödlich verletzt zu werden, gab ebenfalls Punktabzug. Inwieweit dies in die wirkliche Personalbeurteilung einfloss, konnte niemand sagen, aber jemand, der dauernd abstürzte, von Kannibalen aus Oberammergau in den Kochtopf gesteckt wurde, getötet, gehängt, gepfählt wurde wie Frau Schmitz, die Frau mit dem Lederhut, würde auch sicher nicht in den engeren Kreis der Personalmanager gewählt werden. So dachte sie sich das und sah sich schon wieder ohne Whirlpool in der Gosse sitzen. (Und das Mädchen mit dem Schakalsgesicht, ihre Hauptkonkurrentin in der Firma QQu, beugte sich zu ihr herunter, und flüsterte ihr eine Unverschämtheit ins Ohr.)
Jetzt endlich kamen zwei Helfer der Agentur IMPOSSIBLE in grellen Westen den Weg herauf, der durch die Höllentalklamm führte.
»So, Frau Schmitz, sind wir wieder einmal tot?«
»Ja, scheint so«, sagte die klatschnasse Personalmanageranwärterin
zerknirscht und ließ sich herausziehen. Eine Decke wurde ihr umgeworfen, einer der Helfer reichte ihr Tee und Traubenzucker.
»Das nächste Mal, Frau Schmitz, das nächste Mal, da klappt es bestimmt.«
Man kannte sich, die Agentur IMPOSSIBLE hatte schon einige Events für die Firma QQu durchgeführt, die Personalabteilung stellte ihre
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