Hochsaison. Alpenkrimi
alles verschwiegen haben! Gegen die bayrische Bergwacht ist jedes Grab ein Twitterblog.«
»Ja dann«, sagte Jennerwein. »Sie hören noch von mir.«
Drinnen im größeren Raum waren die historischen Wandervögel gerade dabei, sich wieder anzukleiden und sich für den Abflug bereitzumachen. Ein Teil wollte mit dem Hubschrauber fliegen, die anderen, darunter auch der Zither Beppi, zogen es vor, zu Fuß ins Tal zu gehen. Jennerwein beobachtete sie und hörte ihren Gesprächen zu. Er war beruhigt. Niemand von denen sah so aus wie ein Marder. Aber der Herzog von Clarence hatte auch nicht ausgesehen wie Jack the Ripper.
»Vollzählig sind Sie ja alle?«, sagte der Bergwachtler zu dem Adventure Scout beim Hinausgehen, und es war eher eine Feststellung als eine Frage.
»Vollzählig?«
»Ja, vollzählig.«
»Wo ist denn zum Beispiel die Neue?«, fragte Frau Bröckl aus der Telefonzentrale.
»Ja, wo ist meine kühne Reiterin?«, fragte Pierre Brice, der
jetzt besser gelaunt war, weil er gerade ein paar Autogramme gegeben hatte.
Sie suchten an der Stelle, an der der Märchenkönig die Gemsenjägerin beim Losreiten verloren hatte. Sie buddelten und gruben, und fanden schließlich tief im Schnee ein Paar filigrane Schnürschuhe, wie sie einst Madame de Pompadour getragen haben mochte, vielleicht auch Lola Montez oder Camilla Parker Bowles. Von der Trägerin selbst keine Spur.
»Wo ist denn eigentlich die Kutsche?«, rief einer von der Agentur IMPOSSIBLE
.
Ja, wo war die Kutsche geblieben? Einige der Bergwachtler liefen an die Stelle, wo sie zuletzt gestanden hatte. Frische Spuren führten nach unten.
33
Gemeinderat Toni Harrigl war stocksauer. Er musste zu Fuß zur Bäckerei Krusti kommen, weil ihm jetzt schon zum dritten Mal in diesem Jahr das Fahrrad geklaut worden war.
»Wir reißen uns alle Beine für die Bürger aus«, sagte Gemeinderat Toni Harrigl in der Bäckerei Krusti und biss in eine Barack-Obama-Semmel (dunkles Snack-Stangerl, bestreut mit weißem Mohn, wer es nicht glaubt, fahre hin). »Wir bieten den Bürgern alles Mögliche, und was unternimmt die Polizei, die von unseren Steuergeldern lebt?«
Alle am Tisch nickten wissend: Nichts unternahm die Polizei, das brauchte gar nicht ausgesprochen zu werden, das stand im Raum wie ein altes Möbelstück. Nie unternahm die Polizei irgendetwas. Der Glasermeister Pröbstl, der immer zusammen mit seiner Gattin da war, nickte, die kleine Belegschaft der Drogerie gegenüber, die hier ihre Nachmittagspause mit Apfeltaschen versüßte, nickte, ein Kurgast, den niemand namentlich kannte, der aber schon seit fünfzehn Jahren Urlaub hier im Kurort machte, nickte auch mit, und der Harrigl nickte besonders stark.
»Ich kenne sie doch, diese Beamtenköpfe«, sagte er in die Pause hinein. »Ich kenne sie alle: den Ostler, den Hölleisen, den Jennerwein – und dieser Jennerwein ist ein besonders fauler Hund, wenn ich das so sagen darf. Ich will ja nicht schon wieder mit dem Neujahrsspringen anfangen, aber da hat der doch
die Ermittlungen so was von schleifen lassen! Und das, obwohl ich ihm Informationen geliefert habe noch und noch. Ich habe sogar meine Beziehungen ins Innenministerium spielen lassen. Eine heiße Spur habe ich aufgetan, die führt von unserer Skischanze direkt nach Moskau. Meint ihr, der wäre der Spur nachgegangen?«
»Nein, nix, die ziehen ihren bürokratischen Stiefel durch, und dann wundern sie sich, wenn die Verbrecher immer einen Schritt voraus sind«, warf der Schlossermeister Wollschon ein.
»Wie das mit dem Dänen genau war, das weiß man ja immer noch nicht«, legte eine der weißbekittelten Drogistinnen nach. »Nichts ist herausgekommen bei den Untersuchungen, das ist doch blamabel für uns und für den Kurort.«
»Jetzt stellt euch vor«, sagte der Harrigl, »wie das dann erst bei den Olympischen Spielen wird. Die kriegen wir doch gar nicht, wenn das so weitergeht. Und dann merkt es auch der Letzte, dass die neue Sprungschanze doch nur zum Fenster hinausgeworfenes Geld war! Wenn man meinen Vorschlag damals ernst genommen hätte –«
Der Angerer Willi kam herein. Er hatte zu spät gesehen, dass der Harrigl Toni, sein Intimfeind, auch da war und da drinnen so etwas wie eine Rede hielt – jetzt wollte er sich nicht mehr die Blöße geben und umdrehen.
»Was habt ihr denn?«, fragte der Angerer und lehnte seine Jagdgewehrhülle wie üblich in die Ecke. Er bestellte sich einen Kaffee und eine
ganz normale Semmel
, wie er
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