Hochsaison. Alpenkrimi
nicht verraten. Aber ich brauche etwas anderes von Ihnen«, sagte Kalim al-Hasid. »Sie als Chefmeteorologe der NATO können mir da sicherlich weiterhelfen.«
»Da bin ich aber gespannt. Was brauchen Sie von mir?«
»Schnee«, antwortete Kalim. »Ich will, dass richtiger Schnee über Dubai fällt. Ist das möglich?«
Jusuf ließ das Fernglas sinken. Man hatte dieses einsame Stückchen Erde in der kalifornischen Wüste als Besprechungsort gewählt, um ganz und gar unbelauscht zu bleiben. Die visionären Ideen von Kalim al-Hasid durften nicht geklaut werden, sonst tauchten sie, wie es schon mehrmals geschehen war, bei einer anderen internationalen Eröffnungsfeier auf. Noch größere Sorgen machte sich Jusuf aber um die Sicherheit von Kalim. Dass er den rätselhaften Anschlag am Neujahrstag immer noch nicht aufgeklärt hatte, ließ ihm keine Ruhe. Jusufs Gedanken kreisten wieder einmal um das blutbefleckte Teppichstück. Er hatte die Blutproben im Labor analysieren lassen. Dann hatte er die Analysewerte von einem Bekannten durch verschiedene Polizeicomputer jagen lassen. Schweineteuer war das gewesen,
und das Ergebnis war gleich null. Die Blutprobe gehörte zu keinem der weltweit registrierten Verbrecher.
Genauso viel Geld hatte auch der verrückte Österreicher für seinen Datenabgleich verlangt. Der arbeitete, seit Jahren schon, mit einem Netz von Zuträgern, die Fingerabdrücke, Blutproben und andere Daten von prominenten Zeitgenossen sammelten. Die Blutspuren am Teppich führten jedoch auch in dieser Datei zu keinem Ergebnis. Das konnte wieder nur zweierlei heißen. Entweder war derjenige, den er am Neujahrstag beschossen hatte, ein kleines, unbekanntes Lichtchen, zum Beispiel der Hausmeister – das war unwahrscheinlich, denn der hätte sich sicher lautstark bemerkbar gemacht. Oder es war ein anderer Leibwächter, was aus den gleichen Gründen unwahrscheinlich war. Die zweite Möglichkeit war die, dass er da einen verkleideten Superultraprominenten angeschossen hatte, einen, von dem man gar nicht wissen durfte, dass er in der VIP -Lounge des Skistadions gewesen war.
»Vom jetzigen Papst etwa haben wir zum Beispiel gar nichts, keine Fingerabdrücke, keine DNA , nichts«, hatte dieser Karl Swoboda gesagt. »Aber um was geht es eigentlich?« Jusuf hatte ihm nicht gesagt, um was es ging.
»Schnee?«, sagte Dr. McGrey nachdenklich. »Mit Schnee haben wir noch nie gearbeitet.«
»Also unmöglich?«, sagte Kalim al-Hasid enttäuscht.
»Nein, warten Sie. Wir arbeiten seit längerem schon mit künstlichen Regenwolken«, sagte Dr. McGrey. »Wir erstellen in etwa viertausend Meter Höhe ein Leisner’sches Induktionsfeld, in dem sich, laienhaft ausgedrückt, die Luftfeuchtigkeit fängt. Dann versiegeln wir die Wolke mit einer speziellen Hochplasma-Technik. Genauer wollen Sie das sicherlich gar nicht wissen, denn hierbei geht es nicht ohne Atomenergie ab. Dann bewegen wir die Wolke mit einem Leitstrahl dorthin, wo
wir sie brauchen. Wir haben zur Zeit weltweit fünfzehn solcher Wolken in Umlauf. Auf die Idee, Schnee fallen zu lassen, bin ich noch gar nicht gekommen. Aber es müsste möglich sein.«
»Auch in Dubai?«
»Gerade in Dubai«, sagte der Chefmeteorologe der NATO .
32
Die Hofgesellschaft war nicht wiederzuerkennen, allen Teilnehmern waren golden schillernde Thermodecken aus Polyethylen übergeworfen worden, sie lagen auf schlichten Holzpritschen, waren vollständig mit dem wärmenden Schaumstoff bedeckt, nur schlotternde Köpfe, rote Ohren und blaue Lippen lugten oben heraus. Keine Spur mehr von ungarischen Gardeoffizieren, französischen Marquisen und italienischen Bischöfen – momentan nuckelten lediglich Herr Schuchart, Frau Bröckl und Herr Bröseke an ihren Plastikröhrchen und schlürften den traubenzuckersüßen Muntermachertee, der seit der Gründung der Bergwacht im Jahre 1920 seinen Geschmack nicht verändert hatte. Die Teilnehmer der verhunzten Wanderung waren von den Bergwachtlern mit kundigen Körpergriffen zur Jagdhütte geführt, dort aus ihren durchnässten historischen Kleidern befreit und schließlich mit den Polyethylendecken umhüllt worden. Man hatte jeden Einzelnen nach Verletzungen und Anzeichen von Erfrierungen abgesucht, doch die historischen Wanderer waren, bis auf ein paar Kratzer, alle wohlauf. Der eine oder andere beäugte auch schon wieder die Lachs-Kanapees und Gemsenfrikadellen (»Gamsfleischpflanzerl«), die im Hintergrund aufgebaut waren, traute sich aber nicht
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