Hochsaison. Alpenkrimi
man beide Anschläge als misslungen bezeichnen kann?«, sagte Stengele. »Sie sind stümperhaft ausgeführt und eigentlich von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen.«
»Ich weiß nicht«, sagte Maria, »ob da nicht mehr Absicht im Spiel ist, als wir denken.«
»Wissen Sie, wie das für mich aussieht?«, sagte Jennerwein. »Der Attentäter wollte gar nicht voll zuschlagen. Der wollte nur zeigen, dass er zuschlagen
könnte
. Beim ersten Mal ist dabei irgendetwas schiefgegangen. Deshalb – Spekulation! – wollte er beim zweiten Mal auf Nummer sicher gehen und hat die Bergwacht
und
uns per Mobilfunk informiert, und zwar so kurz nach dem Anschlag, dass wir, selbst wenn sämtliche Teilnehmer verschüttet worden wären, alle hätten bergen können.«
»An der These ist was dran«, sagte Maria nachdenklich.
Es klopfte. Hölleisen kam herein.
»Ich komme gerade von Ilse Schmitz. Sie hat Glück gehabt, es ist ein glatter Durchschuss durch den Fuß. Die Ärzte sagen, das verheilt wieder.«
»Als ob wir sonst nichts zu tun hätten«, sagte Stengele. »Wir haben drei Stunden nach der Frau gesucht. Wie kann man so blöd sein, einfach mit dem Hornschlitten ins Tal zu fahren! Ist sie vernehmungsfähig?«
»Nein«, fuhr Hölleisen fort, »sie ist hysterisch, schreit herum, behauptet auch, dass sie nicht freiwillig hinuntergefahren ist. Ich glaube, dass sie nicht ganz ernst zu nehmen ist. Sie sagt, dass sie sich in der Kutsche aufwärmen wollte, dass ein mysteriöser, schweigender, vollkommen verhüllter Unbekannter wie aus dem Nichts aufgetaucht ist und sie verschleppt hat.«
»Aha. Ist ihr irgendetwas Besonderes an dem mysteriösen Unbekannten aufgefallen?«, fragte Stengele.
»Nein. Nur, dass er eine Skimütze mit Sehschlitzen trug.«
»Schon wieder einmal ein Unbekannter. Kann an der Geschichte was dran sein?«, fragte Jennerwein.
»Ich weiß nicht so recht«, sagte Hölleisen. »Zum Schluss hat sie mir noch nachgeschrien: ›Abgründe! In dieser Gegend falle ich immer nur in Abgründe!‹«
»Wie wird sie erst schreien«, sagte Stengele, »wenn sie erfährt, dass der Hornschlitten am Ende voll auf den neuen Alfa Romeo vom Jackele Bauern gekracht ist. Totalschaden. Vielleicht hat sie Angst, dass sie das selbst bezahlen muss.«
»Na, Hauptsache, ihr geht es gut«, sagte Jennerwein. »Wir behalten sie aber im Auge.«
Stengele schüttelte den Kopf. »Was da alles hätte passieren können! Aber was spricht eigentlich
gegen
die These eines Zusammenhangs zwischen den beiden Anschlägen?«
»Die Antwort ist leider die«, sagte Maria, »dass wir das erst bei einem dritten Anschlag beurteilen können.«
»Schluss mit den Spekulationen«, sagte Jennerwein. »Wir klären beide Anschläge auf, von wem sie auch immer begangen wurden.«
»Vielleicht«, sagte Nicole Schwattke, »können wir den Täterkreis dadurch einschränken, dass die Attentate auch einen
inhaltlichen
Zusammenhang haben. Sie richten sich beide gegen den Sport, gegen Freizeitgestaltung, gegen den Fremdenverkehr, gegen das Wandern, eigentlich gegen alles, was diesen Kurort ausmacht.«
»Sie denken an so etwas wie einen Greenpeace-Aktivisten?«, schlug Maria Schmalfuß vor. »An einen radikalen Naturfreund, einen Öko-Taliban? Zum Beispiel an einen fundamentalistischen Jäger, der endlich seine Ruhe in Forst und Wald haben will? Da fällt mir dieser Willi Angerer ein, Sie wissen schon, der mit dem mächtigen Zwirbelbart und dem Regenschirm in der Gewehrhülle. Wir sollten sein Alibi überprüfen.«
»Angerer?«, sagte Hölleisen lachend. »Der Oberforstrat Angerer soll unser Marder sein? Und der marschiert dann nach dem ersten Anschlag seelenruhig zu uns aufs Revier und lenkt den Verdacht durch seine Schusstheorie auf sich selbst?«
»Vielleicht«, murmelte Maria. »Das wäre ja nichts Neues.«
»Weil wir schon das Thema Alibi angesprochen haben«, sagte Nicole Schwattke und deutete auf den Stoß Blätter vor ihr. »Ich habe alle Neujahrs-Alibis von den Teilnehmern dieser historischen Wanderung nachgeprüft.«
»Lassen Sie mich raten: Alle haben eines.«
»Richtig. Die Manager sowieso. Die waren am Neujahrstag schwer unterwegs, entweder bei Geschäftsmeetings oder bei Incentives, da konnten sie natürlich massenhaft Zeugen benennen. Die Mitarbeiter der Agentur IMPOSSIBLE , wie zum Beispiel dieser Pierre Brice, die waren ebenfalls bei solchen Incentives, rund um den Erdball verteilt, aber immer mit Zeugen. Der Einzige, der am Neujahrstag hier im
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