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Hochsaison. Alpenkrimi

Titel: Hochsaison. Alpenkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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Zwanzigjähriger, offensichtlich ein Alt-Kollegiat in der G8-Qualifikationsphase kurz vor der Quarterlife-Crisis. Sagte man noch
endsgeil
und
phatt
?, fragte sich Nicole Schwattke. Vor dreißig Jahren hätte ein Vorwitziger
Scheiß Bullenstaat
mit dem nassen Schwamm an die Tafel geschrieben, diese Schüler hier schienen den polizeilichen Besuch ausgesprochen spannend zu finden.
    »Das kommt ja nicht alle Tage vor«, sagte einer, der den netten Jungen von nebenan gab: Fünfzigerjahre-Tolle, umgehängter Strickpulli in gedeckten Farben – solche Knaben nannte man irgendwann einmal ›Teds‹, dachte Hölleisen, in Zeiten, als Twix noch Raider hieß. Alle sieben Schüler stellten sich nacheinander vor. Der Ted hieß Kevin. Eine sommersprossenübersäte Rothaarige stellte sich als Irene vor, wollte aber Eireen genannt werden. Der Rest hieß Flo, Mücke, Dirk, Barb – und Bobo. Nicole warf einen Blick auf die Tafel, dort war die Formel
ν (N) = N · (c/2L), c = Lichtgeschwindigkeit, L = Resonatorlänge
zu lesen. Derjenige, der sich als Mücke vorgestellt hatte, stand auf und wischte alles weg.
    »Warum machst du das?«, fragte die OStRin.
    »Stört mich. Physik. Formeln. Mag ich nicht«, sagte Mücke.
    »Also, wer von den Damen und Herren Schülern erzählt uns
etwas?«, fragte Hölleisen. »Ich habe gehört, dass ihr euch mit interessanten Dingen beschäftigt.«
    »Wir haben Seminararbeiten geschrieben, und das muss sich irgendwie rumgesprochen haben –«, begann Flo, wurde aber von der OStRin unterbrochen.
    »Zunächst muss ich vorausschicken, dass
ich
das Thema für die Arbeiten vorgeschlagen habe.« Nicole überlegte, was die Pädagogin für einen
nickname
haben mochte, Ronge ließ sich ganz schlecht verballhornen. Eigentlich überhaupt nicht.
    »Es waren alles Themen aus den Bereichen Kriminologie und Rechtspflege«, fuhr die OStRin mit dem unzerstörbaren Namen fort. »Strafe und Vergeltung im Rechtsstaat. Strafvollzug. Diese jungen Menschen hier haben sich also das letzte halbe Jahr mit Schuld und Sühne beschäftigt.«
    »Wir sind die Raskolnikoff-Gang«, sagte Barb.
    »Sie haben Seminararbeiten verfasst?«, fragte Hölleisen und blickte in die Runde. »Dürfen wir die mal lesen?«
    Mit einer unendlich langsamen Bewegung holte Mücke ein paar Schnellhefter unter der Bank hervor.
    »Schon vorbereitet. Können Sie alle lesen. Wir dachten uns schon, dass die Polizei eines Tages kommt.«
    »Wirklich?«, fragte Schwattke.
    »Ja, gehört zum Konzept«, fuhr Mücke fort. »Die Grundidee des
Alpspitz-Projekts
ist folgende: Warum bei verbrecherischen Taten immer destruktiv sein? Warum nicht mal einen Straftatbestand erfüllen, aber niemanden zu Schaden kommen lassen? Warum es nicht einfach nur andenken, das Vergehen? Warum nicht subversiv sein, ohne dass gleich was kaputtgeht.«
    »Aber warum sind Sie eigentlich hier?«, fragte Eireen, an die Polizisten gewandt. »Ist das ein Verhör oder so was?«
    »Nein, wir stecken in einer laufenden Ermittlung«, antwortete Nicole. »Ihr habt sicher von dem Anschlag droben am Schachen gehört.«
    »Damit haben wir nichts zu tun«, sagte Mücke scharf, und er sagte es einen Ton zu scharf und dramatisch, fand Nicole.
    »Niemand von euch hier wird verdächtigt. Deshalb ist das kein Verhör, sondern eine informelle Befragung.«
    »Was, das ist eine einszueins-echte Realbefragung?«, sagte Flo verwundert. »Und Sie sind echte Polizisten? Mit Dienstausweis und allem?«
    »Was hast du denn gedacht?«
    »Ich dachte, das ist wieder so eine Aktion von Frau Ronge.«
    »Wir alle dachten das«, sagte Mücke.
    Verflixt, dachte Nicole, das darf doch nicht wahr sein, alles in diesem Kulissenort wird als Spiel, Jux und Dollerei gesehen.
    »Nein«, sagte Hölleisen geduldig, »das ist eine echte Befragung, eine einszueins-echte Realbefragung. Wir sind echte Polizisten, es gibt einen echten Fall –«
    »Haben Sie
Matrix
gesehen?«, unterbrach Flo. »Da behaupten auch alle, dass sie echt sind. In Wirklichkeit: alles gemacht, alles getürkt, alles gelogen.«
    »Ja, ich habe den Film gesehen«, sagte Hölleisen. »Ich bin aber nicht von der Matrix. Ich bin echt. Und es gibt einen echten Attentäter. Und es gibt jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder haben wir hier im Ort einen Spinner, der eure Ansätze kopiert –«
    »– oder«, fiel Nicole Schwattke ein, »die Raskolnikoff-Gang hat uns etwas zu sagen.«
    Niemand von den sieben Schülern zeigte irgendeine Regung.
    »Ich gehe aber mal davon aus«, fuhr

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