Hochsaison. Alpenkrimi
Nicole fort, »dass ihr zu keinen terroristischen Aktionen fähig seid.«
»Fähig eben schon«, sagte Eireen, »aber nicht willens. Vielleicht auch willens. Aber wir machens nicht. Das heißt, wir machen’s schon, aber nur im Geist. Ich darf Ihnen mal unser derzeitiges Projekt vorstellen.«
»Es ist ein größeres Projekt, und jeder der Schüler hat eine Teilaufgabe übernommen«, mischte sich die OStRin betulich ein. Sie setzte zu einem größeren Vortrag an, die Beamten hätten alles lieber aus dem Mund der Schüler gehört.
»Ich darf mich kurz entschuldigen«, sagte Nicole und stand auf. Als sie draußen war, rief sie Becker an.
»Was gibt’s, Nicole?«
»Es ist nur ein Schuss ins Blaue, Hansjochen, aber sagt Ihnen folgende Formel was – Moment –«
Nicole holte ihren Notizblock heraus und las die Formel vor, die sie noch schnell aufgeschrieben hatte, bevor Mücke sie wegwischen konnte.
»Haben Sie eine Ahnung, was
ν (N) = N · (c/2L)
bedeutet?«
»Das kann alles mögliche sein. Weiß man denn, was ›L‹ für eine Größe ist?«
»Ja, das stand dabei.
L = Resonatorlänge
.«
»Wie bitte? Resonatorlänge? Was ist denn mit euch heute los?«, sagte Becker belustigt. »Habt ihr was rausbekommen, von dem ich nichts weiß? Der Chef hat nämlich auch schon in diese Richtung gefragt.«
»In welche Richtung? Was ist denn das für eine Formel?«
»Die Formel spielt bei der Erzeugung von Laserstrahlen eine wichtige Rolle. In einem Laserresonator werden Lichtteilchen zwischen mehreren Spiegeln hin- und hergeschickt. Je nach Bauart werden bestimmte Wellenlängen und deren Vielfache besonders verstärkt. Durch die gaußförmige Dopplerverbreiterung –«
Als Nicole wieder ins Zimmer trat, bekam sie den Eindruck, dass Hölleisen das Vertrauen der Jugendlichen gewonnen hatte. Er konnte gut mit ihnen umgehen, das war ihr bei früheren Gelegenheiten schon aufgefallen.
»Ist es so etwas wie Paintball? Oder Gotcha?«, fragte er
gerade. »Die Waffen sehen täuschend echt aus, man spielt ein mörderisches Spiel damit.«
»Paintball kennen wir, ja«, sagte Barb. »Das ist Kinderkram.«
»Kinderkram?«, wandte Hölleisen ein. »Ich denke, dass das so etwas wie die Vorstufe zu –«
»Das denken wir eben nicht«, unterbrach ihn Dirk. »Wer Paintball spielt, wird nicht mehr wirklich morden. Katharsis, verstehen Sie. Man reinigt sich von verbrecherischen Gedanken, indem man diese Gedanken durchspielt.«
»Verstehe ich«, sagte Hölleisen. »Die Theorie ist aber sehr umstritten.«
»Katharsis, Gewaltbewältigung – das sind in diesem Schuljahr nicht unsere Themen«, sagte die OStRin, »unser Thema ist die Subversion.«
»Ja, genau«, fuhr Dirk fort, »so was wie Paintball ist nicht unser Ding. Wir haben ein richtiges kriminelles Projekt durchgezogen, über das wir auch sogenannte ›Portfolios‹ angelegt haben. Wir haben es das
Alpspitz-Projekt
genannt. Es besteht aus mehreren Stufen. In der ersten Stufe zerstören wir eine Einrichtung, die für die ganze Region sehr wichtig ist. Wir haben lange danach gesucht. Jetzt raten Sie mal.«
»Die Skihänge?«, riet Hölleisen. »Die Wanderwege?«
»Die Sprungschanze?«, fügte Nicole vorsichtig hinzu.
»Nein«, fuhr Dirk fort, »wir haben uns entschlossen, weiterzugehen und ein richtig großes und weithin sichtbares Symbol zu zerstören. Das Symbol der Region ist die Alpspitze. Wir werden der Alpspitze etwas Wesentliches nehmen, nämlich ihre Spitze. Und das im wörtlichen Sinn. Wir sprengen die Spitze dieses Berges ab. Die Kosten wären nicht übermäßig hoch. Ich habe alles durchgerechnet.«
»Er will mal BWL studieren«, sagte Barb fröhlich.
»Wir brauchen zwanzig oder fünfundzwanzig Sprengladungen TNT mit jeweils 5 bis 7 Kilojoule«, fuhr Dirk fort. »Das kostet nicht mehr als eine neue Rutsche für den Kindergarten. Wir bringen sie etwa 50 Meter unterhalb des Gipfels rundherum an. Wir geben Personenwarnung und sprengen per Fernzünder. Wenn sich die Staubschwaden verzogen haben, fehlt das oberste Spitzelchen der Alpspitze. Tatbestände: Landfriedensbruch – § 125 St GB , Herbeiführung einer Gemeingefahr durch Explosion – § 308 St GB .«
»Das sind schon mal zehn Jahre Knast«, ergänzte Nicole.
»Muss nicht sein«, sagte Mücke. »Nach § 125 a ist es ja kein schwerer Landfriedensbruch.«
»Er will Jura studieren«, sagte Barb.
»Die zweite Stufe«, fuhr Eireen fort, »besteht aus der Einschätzung der behördlichen Reaktionen darauf. Unsere
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