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Hochsaison. Alpenkrimi

Titel: Hochsaison. Alpenkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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aufpassen.
    »Ja, wenn man an den Todeskampf von der armen Kreitmayerin denkt!«, sagte sein Gegenüber. »Da schmeckt mir doch keine Weißwurst mehr.«
    »Todeskampf? Weiß man da Details?«, fragte der Marder.
    »Die Augen sollen ihr herausgetreten sein, und geschrien soll sie haben, dass man es im Umkreis von einem Kilometer noch gehört haben soll.«
    »So, hört man das. Ich muss dann wieder.«
    »Einen schönen Tag noch.«
     
    Er hatte ein paar tausend, vermutlich ein paar zehntausend Menschen auf die Beine gebracht. Er hatte mit geringem Materialaufwand, mit einer Spicknadel, einer Plastikkapsel und etwas Geduldsarbeit einen enormen Unterhaltungswert geschaffen, für beide Seiten. Er fühlte eine wohlige Wärme in sich aufsteigen, diese kaminfeuerartige wohlige Wärme, die der Kaiser vermutlich in sich aufsteigen fühlt, wenn er sich unerkannt unters Volk mischt, und dabei das gute arme Mädchen kennenlernt.
     
    »Und wenn sie ihn erwischen? Wisst ihr, was dann mit ihm geschieht?«, fragte ein Mann im Strickjanker. »Wisst ihr das? Dann nimmt er sich einen guten Rechtsanwalt und kriegt ein halbes Jahr auf Bewährung, weil er eine schwere Kindheit gehabt hat. Das geschieht mit so einem. Aber wenn unsereins einmal –«
    »Da stimmt doch mit unserem Rechtssystem etwas nicht«, sagte ein anderer.
    »Ja, ich bin ja wirklich ein Gegner jeglicher Selbstjustiz«, sagte der Marder, »aber in diesem Fall – ich wüsste nicht, was ich täte, wenn ich mit ihm allein wäre.«
    »Ja, da hast du vollkommen recht.«
    Und er ging weiter, der unerkannte Fürst im Chaosland, der
Wolf im Schafspelz, der geachtete Bürger mit dem angeahnten Geheimnis. Er saugte begierig jede neue Rezension über sich auf. Die Tatsache, dass er allein – er allein! – das alles verursacht hatte, erregte ihn aufs Äußerste. Er hatte noch nie in seinem Leben solch einen Flash verspürt. Kein Rauschgift reichte an dieses Gefühl der Omnipotenz, der uneingeschränkten Allmacht heran. Er lenkte seine Schritte in Richtung der Bäckerei Krusti. Warum sollte er da jetzt eigentlich nicht reingehen, gerade da hinein, gerade jetzt, ja, warum eigentlich nicht. Es wäre im Gegenteil auffällig, wenn er sich nicht sehen ließe. Noch nie in seinem Leben hatte er sich so gut, so wichtig, so eins mit sich und der Welt gefühlt. Er sah durch das Fenster hinein.
    Drinnen im Stehcafé standen sie, erschöpft vom Kampf gegen ihn, die weißen Figuren seines Spiels: Da war Kommissar Jennerwein, der unbewegliche König. Daneben stand, schlaksig und spindeldürr, die weiße Dame, die Psychologin, die gefährlichste Figur beim Gegner. Vorsicht vor der weißen Dame! Sizilianische Eröffnung, dachte der Marder, ich bin die einzige schwarze Figur im Spiel, ich bin König und Dame und Bauer zugleich, und – gerade das ist mein Vorteil. Der Marder öffnete die Tür, er musste sich durchdrängen durch die erregte Masse, und jetzt fühlte er sich wie Siegfried mit der Tarnkappe, der unsichtbar zu der Walkürenpsychologin Brünhilde geht. Er fühlte sich unbesiegbar.
    Der Marder konnte sich nicht mehr auf die Gespräche um ihn herum konzentrieren, so berauscht war er von der Situation. Adrenalin unvermischt. Er hörte Jennerwein aus der Ferne, wie er Fragen beantwortete. Verschwitzt waren sie alle, vollkommen fertig mit den Nerven, bis zur Weißglut gereizt. Wie leicht war es doch, Herrschaft über Menschen zu erlangen, dachte der Marder.
    »Grüß dich«, sagte die Verkäuferin hinter der Theke, als er
an der Reihe war, »was willst du? Einen Kaffee? Hast du bei der Suche mitgeholfen? Dann kriegst du ihn umsonst.«
    »Nein, ich zahle schon. Ich bin ja froh, dass es gut ausgegangen ist.«

47
    Hansjochen Becker warf die Tüte auf den Tisch, in der eine der Länge nach durchgeschnittene Weißwurst steckte. Noch nie hatte ihn jemand so zornig gesehen. Die meisten im Team konnten ihre Entrüstung ebenfalls kaum verbergen.
    »Das darf doch nicht wahr sein!« Stengele schüttelte den Kopf. »Es ist wie eine Szene aus einem alten Zeichentrickfilm in Schwarzweiß: Der Räuber zückt die Pistole, drückt ab und – ein Schildchen erscheint, auf dem PENG ! steht. Er will uns vorführen. Weiß außer uns eigentlich schon jemand von dem Ergebnis der Untersuchungen?«
    »Nein«, sagte Jennerwein ruhig. »Diese Informationen haben wir noch zurückgehalten. Und deshalb bitte ich Sie, professionell zu reagieren. Wir haben keinen Fehler gemacht. Wir haben uns alle nichts vorzuwerfen. Wir

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