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Hochsaison. Alpenkrimi

Titel: Hochsaison. Alpenkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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die heutige Lebensmittelvergiftung von ein und demselben Täter begangen worden sind.«
    Swoboda saß im Fernsehsessel.
    »Ein Trittbrettfahrer, da schau her«, sagte er, ohne den Blick vom Bildschirm abzuwenden. »Und die Schmier liegt wie immer daneben.«
    »Wie es auch sei«, sagte Wong. »Er stört unsere Pläne gewaltig. Wenn die Polizei ihn fasst, deckt er die mühsam verwischten Spuren auf, die zu uns führen.«
    »Warum das denn?«, fragte Swoboda.
    »Wenn dieser Verrückte gefasst wird, dann wird er den Neujahrsanschlag selbstverständlich abstreiten. Und dann fangen die Ermittlungen wieder von vorne an.«
    »Da bin ich mir nicht so sicher, Freunde. Es ist ein Trittbrettfahrer, ein Gschaftlhuber, der sich profilieren will. Ich kenne Leute seines Kalibers zur Genüge.«
    Shan runzelte die Stirn. »Ein Psychopath, der sich profilieren will?«
    »Genau«, sagte Swoboda. »Und mit einem halbherzigen Lawinenabgangerl und einem vergifteten Würsterl kann man sich nicht so wichtig machen wie mit der Störung einer internationalen
Sportveranstaltung. Ich kenne meine Pappenheimer: Dieser Abstauber wird den Neujahrsanschlag
natürlich
auf seine Kappe nehmen. Der will kein Geld, der will nichts Politisches, der will ins Lexikon.«
    »Er muss auf jeden Fall gefasst werden«, sagte Wong.
    »Und liquidiert«, sagte Shan.
    »Wieso denn das schon wieder!«, stöhnte der Österreicher. »Ersteres: ja, Zweiteres: bitt’schön nicht. Liquidieren nur im äußersten Notfall. Liquidieren nur, wenn man weiß, wohin mit dem Ergebnis der Liquidation.«
    »Was machen wir also?«
    »Als Erstes schwärmen wir aus und versuchen uns ein Bild von dem Lokalguerillero zu machen. Ich bitte euch, alle Zeitungsausschnitte zu sammeln, die diesen Fall betreffen. Überhaupt alle Informationen. Auch Gerüchte. Ich schau mich auch ein bisserl um und zapfe alte Kontakte an. Ich will alles über den wissen, dann können wir ihn uns entweder schnappen – oder wir nutzen ihn für unsere Zwecke aus.«
    Shan und Wong waren überhaupt nicht begeistert davon, schon wieder unter dem Kommando des k. u. k. Problemlösers zu stehen und Botendienste machen zu müssen.
    »Wir machen es auf unsere Weise«, sagte Shan im kehligen Min-Yue-Dialekt. Swoboda tat so, als würde er nichts verstehen.
    »Er hat einen Vorteil, unser Trittbrettler«, fuhr Swoboda fort. »Ich bin nämlich überzeugt davon, dass er die Polizei noch eine Zeitlang auf Trab hält. Er wird einen neuen Anschlag durchführen, da wette ich was drauf. Er ist unsere eigentliche Hilfstruppe, er lenkt die Kieberer ab und wir können ungestört operieren. Trotzdem, ich möchte den Burschen kennenlernen. Wir können nicht zulassen, dass der ein unkontrollierbares Element wird.«
     
    Der Marder wusste nicht, dass er spätestens seit diesem Gespräch in höchster Lebensgefahr schwebte. Trotz Swobodas herziger Verteidigungsrede hatten Shan und Wong vor, ihn zu töten, um ganz sicherzugehen, dass er sich im Falle eines Verhörs zum Neujahrsanschlag nicht verplapperte. Der Marder war jetzt eingeklemmt zwischen der Exekutive des Freistaats Bayern und der Zwangskoalition aus habsburgischer Gelassenheit und Chaoyanger Kontemplation. Er war in einer ähnlichen Lage wie der römische Feldherr Tiberius Gracchus der Mittlere, 137 v. Chr. bei Barcatanus. Er wusste nicht, dass sowohl von Norden wie auch von Süden zwei riesige Landheere (die Skopten und die Kallyrier) auf ihn zukamen, die ihn im Fall einer Auseinandersetzung zermalmt hätten. Tiberius Gracchus blieb, gerade weil er nichts davon wusste, gelassen und wartete auf die angeforderte Flotte des Hauptmanns Scipius. Er entkam auf dem Seeweg. Ob dem Marder ein ähnliches Glück vergönnt war?
     
    Der Marder schlenderte durch die Straßen des Kurorts. Er schien äußerlich gelassen, innerlich zitterte er vor Erregung. Es gab nur einen Gesprächsstoff: seinen Anschlag. Es gab nur ein Thema: ihn. Er spazierte die Fußgängerzone entlang, die mit aufgeregten Bürgern übersät war. Da und dort grüßte man ihn, er grüßte höflich zurück. Man kannte ihn, man redete ihn an.
    »Hast du’s schon gehört?«
    »Ja natürlich. Schlimme Sache«, antwortete er bekümmert.
    »Unglaublich. Hier bei uns.«
    »Hier bei uns. Erschreckend. Ein Anschlag nach dem anderen.«
    »Ich esse mein Lebtag keine Weißwurst mehr.«
    »Der Appetit ist einem wirklich vergangen.« Botulin!, hätte er fast gesagt, aber das wäre natürlich ein schwerer Fehler gewesen. Er musste besser

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