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Hochsaison. Alpenkrimi

Titel: Hochsaison. Alpenkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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Jennerwein selbst, er und Maria hatten sich die heikelste Aufgabe ausgesucht, sie fuhren mit dem Funkstreifenwagen durch die Straßen und wiederholten die Durchsagen. Nach wenigen Minuten gab es schon die ersten kollektiven Panikattacken. So weich, vorsichtig und psychologisch fundiert die Weißwurstwarnung von Frau Dr. Maria Schmalfuß auch ins Megaphon gesprochen worden war, die Angst brach sich da und dort ihre Bahnen. Ganze Familien standen mit eilig gepackten Koffern auf der Straße und behinderten das Weiterkommen der Fahrzeuge – sie fürchteten weitere Anschläge. Knapp zweihundert Personen hatten den Weißwurstfrühschoppen schon hinter sich, sie wurden ins Klinikum gekarrt, die meisten von ihnen bestanden darauf, dass ihnen der Magen ausgepumpt wurde, sicher ist sicher. Es waren insgesamt vier Polizeiwagen im Einsatz. Zusätzlich hatte man noch die freiwillige Feuerwehr unter der Leitung von Hauptmann Johann Mirgl junior gewinnen können. Sechs Feuerwehrwagen durchkämmten den Ort. Natürlich liefen die Leute auf der Straße zusammen, viele wussten es auch schon, erzählten es weiter, es bildete sich ein pappsüßes, gefährlich
aggressives Gemeinschaftsgefühl, eine brisante Mischung aus
Wir halten zusammen
und
Tötet das Schwein
. Jennerwein und Maria wussten um die Gefährlichkeit dieser Aktion. Die Volksseele war ein schlafendes Kätzchen, das unter diesen Bedingungen zu einem unberechenbaren Ungeheuer mutieren konnte. Da und dort hatten sich einige Übereifrige, wenn auch leicht, so doch bewaffnet, und wenn irgendwo eine Person gesehen worden wäre, die eine Weißwurst mit einer Spritze präpariert hätte, wäre diese aus dem gleichen warmen, kollektiven Kätzchengefühl heraus gelyncht worden.
    »Achtung, hier spricht die Polizei, gehen Sie auseinander, es besteht keine unmittelbare Gefahr für Sie.«
    Bislang hatte man noch von keiner blauen, heraushängenden Zunge und aufgerissenen Augen gehört.
     
    Noch 46 Minuten bis zum Zwölfuhrläuten
     
    Nicole Schwattke und Ludwig Stengele, die westfälische Preußin und der schwäbische Allgäuer, waren im Polizeiauto auf dem Weg zu einem etwas außerhalb des Ortes gelegenen Restaurant.
    »Ich frage mich nur, wie es der Marder geschafft hat, die vergiftete Wurst unauffällig zu platzieren«, sagte Nicole.
    »Er hatte es ja wesentlich leichter als wir«, erwiderte Stengele. »
Wir
müssen sämtliche Würste aus dem Verkehr ziehen – er musste nur eine einzige vergiften. Also kann er den ganzen Morgen, vielleicht auch schon den gestrigen Nachmittag entspannt herumgeschlendert sein, mit einer Spritze in der Jackentasche, um nach unbeobachteten Fleischtheken Ausschau zu halten.«
    »Er kann die Wurst auch schon zu Hause präpariert haben.«
    »Das ist noch einfacher, richtig: Er ist der einzige Kunde im Laden, er lässt den Metzger etwas aus der Kühlung holen,
er greift schnell über die Ladentheke und tauscht eine Wurst aus.«
    »Und im Restaurant?«
    »Er sucht sich ein kleines Lokal aus, bei dem nur ein Koch in der Küche steht.
Oh, hoppla! Entschuldigung, bin ich jetzt in der Küche gelandet?
– Hier ist die Pension Alpenrose, beeilen wir uns.«
     
    Noch 35 Minuten bis zum Zwölfuhrläuten
     
    »Wissen Sie etwas über die Wirkungsweise von Botulin, Maria?«, fragte Jennerwein, als sie eine Straße zurückfuhren, in der sie schon mehrere Durchsagen gemacht hatten.
    »Die ersten Symptome bestehen aus Übelkeit, Kopfschmerzen und Mundtrockenheit. Nach einigen Stunden folgen erste Muskellähmungen. Typisch sind Doppeltsehen und Halssteifigkeit. Der Tod tritt durch Atemlähmung ein. Die Opfer sind nicht mehr fähig, zu sprechen, zu telefonieren oder anderweitig um Hilfe zu rufen.«
    »Dann hat er jetzt den Bogen weit überspannt. Bisher war es versuchte schwere Körperverletzung.«
    »Jetzt ist es Mordversuch.«
     
    Noch 17 Minuten bis zum Zwölfuhrläuten
     
    Der Marder befüllte die Spicknadel vorsichtig mit einer kleinen Kapsel. Dann hob er das eine Ende der Wurst etwas an und stach mit der Spicknadel durch das Wurstende, mitten in die zusammengedrehten Häute. Unter günstigeren Umständen wurde auf diese Weise ein Hasenrücken mit Speckstreifen gespickt. Der Marder löste jetzt die Klammer und zog die Nadel ohne die Kapsel wieder heraus. Mit der Lupe betrachtete er das Ergebnis seines Eingriffs: Es waren keinerlei Einstichspuren zu
sehen. Der Marder lächelte zufrieden. Dann warf er die Wurst in den Kessel. HUMPF TATA TA ! dröhnte es aus dem

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