Hochsaison. Alpenkrimi
herausfinden, von wo aus, dann hat er Elefantenspuren hinterlassen, dann ist er in Sichtweite.«
»Gut«, sagte Jennerwein. »Maria, Sie arbeiten weiter am Profil des Täters und vergleichen es mit unseren Verdächtigen. Treiben Sie Ihre Schriftprobenaktion weiter. Sie haben mein Okay dazu. Machen Sie das aber so dezent wie möglich.«
»Die Hälfte habe ich schon, bis morgen habe ich alle.«
»Wunderbar. Darüber hinaus müssen wir jetzt selbst aktiv werden. Ich will mit ihm Kontakt aufnehmen, und ich habe da
eine – vielleicht etwas schräge – Idee. Wir spielen sein Spiel mit: Wir legen ebenfalls falsche Spuren.«
»Ein guter Vorschlag«, lobte Hansjochen Becker. Jennerwein lobte Becker selten, die beiden fetzten sich manchmal ganz ordentlich. Hansjochen Becker wiederum schaltete sich selten in die operative Arbeit des Teams ein, er sah seine Aufgabe mehr in den technischen Disziplinen. Dass er sich jetzt vorwagte, bedachten alle mit einem respektvollen Nicken.
»Sie denken an eine Zeitungsnotiz, die den Weißwurstanschlag völlig falsch schildert?«, fragte er.
»Nicht völlig falsch«, sagte Jennerwein, »sondern so falsch, dass es ihn beleidigt und herausfordert. Ich würde so etwas Ähnliches an die Zeitung geben wie: Resi Kreitmayer leidet schwer an ihrer lebensgefährlichen Botulin-Vergiftung … eine Ur-Einheimische am Ende, dazu Einzelheiten, wie so etwas aussieht.«
»Spielen die Ärzte da mit?«
»Ja, da bin ich sicher. Dadurch durchkreuzen wir seine Absichten, sich als sympathischen Witzbold darzustellen, der seine Späße mit der Polizei treibt und niemandem schadet. Er wird dadurch in der Bevölkerung zum wirklichen Mordanschläger, zum Unsympathen – und so ein Image wird ihm zu schaffen machen.«
»Die Idee finde ich sehr gut, Chef«, sagte Stengele und alle nickten.
»Becker«, fuhr Jennerwein fort, »Sie liefern die Daten, also: die gefakten Daten, Maria, Sie formulieren eine knappe Zeitungsnotiz.«
»Für welche Zeitung soll der Text sein?«, fragte Maria. »Für die Lokalzeitung?«
»Da bin ich dagegen«, sagte Ostler, und Hölleisen stimmte ihm heftig zu. »Ausgerechnet die Zeitung, die kein gutes Haar an uns lässt, die in jeder Meldung auf die unfähige Polizei
schimpft – deren Auflage sollen wir durch so eine Annonce um ein paar tausend Exemplare heben?«
»Gut«, sagte Jennerwein lächelnd. »Dann unterstützen wir die Auflage eines kleinen Blattes, indem wir es zu unserem Briefkasten machen. Vorschläge?«
Ein paar im Team schmunzelten. Sie mussten alle an die
Altbayerische Heimatpost
denken, das unschuldigste Organ unter den Presseerzeugnissen, das Zentralorgan der real existierenden Landromantik. Und so geschah es. Zwischen einem Artikel über alte Bauernbräuche und einem über die erste weibliche südbayrische Meisterin im Fingerhakeln sollte am übernächsten Tag schon die Nachricht an den Marder zu finden sein, die ihn aus seinem Marderversteck locken sollte. Ein schöner Plan.
»Und überhaupt!«, sagte Hansjochen Becker, als die Besprechung beendet war. »Eine Weißwurst
längs
durchzuschneiden –
das
ist das eigentliche Verbrechen!«
48
Aber, aber, lieber Herr Kommissar!
Das ist schon etwas unter Ihrem Niveau, mich mit solch einer Finte aus der Deckung locken zu wollen. Was lese ich da? »Ein gemeiner Anschlag auf das Leben einer unbescholtenen Bürgerin des Ortes!« Dass ich nicht lache! »Qualvoll verzerrte Gesichtszüge, herausquellende Augen und die Letzte Ölung, die der Pfarrer der Kreitmayerin auf dem Weg zum Krankenhaus noch gegeben hat« – Schön, dass Sie mein Stilelement der Desinformation verwenden, klauen, vielleicht sogar parodieren, aber das müssen Sie das nächste Mal etwas geschickter machen. Ich bereite gerade den vierten Anschlag vor, und da bitte ich Sie doch höflich, Ihre und meine Zeit nicht mit solchen Possen zu verschwenden. Prüfen Sie lieber die vorhandenen Spuren nach. Die Gerüche, die ich in den letzten Bekennerbrief praktiziert habe, ergeben, alphabetisch geordnet, einen wichtigen Hinweis: B-enzin, K-augummi, A-pfel … war ein Spaß, aber machen Sie mal hinne, lieber Kommissar Jennerwein. Sie befehligen ein Riesenteam, die öffentliche Meinung wendet sich gegen Sie, Sie haben eine schlechte Presse – ich weiß nicht, ob Sie sich einen vierten unaufgeklärten Anschlag leisten können. Ich habe Sie nebenbei gesagt deswegen ausgewählt, weil Sie ein ebenbürtiger Gegner sind. Ich habe mich über Sie erkundigt. Sie
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