Hochsommermord: Kriminalroman (German Edition)
Taxi. Er hatte einen halben Liter Wein und mehrere Ouzo getrunken. Ein gelungener Einstand in meine neue Heimat, dachte er und überlegte, wann er zuletzt einen so unverhofft schönen Abend verbracht hatte. Gleich nachdem er das Lokal betreten hatte, war ihm der Wirt Alexandros freudestrahlend entgegengekommen, hatte kräftig seine Hand geschüttelt und ihn wie einen alten Freund begrüßt. Der Restaurantbesitzer hatte ihn sofort in die Küche geführt, wo ihn dessen Frau Dimitra mit derselben Herzlichkeit willkommen geheißen hatte. Sie hatte wunderschöne, fast schwarze Augen, mit denen sie ihn verschmitzt anlächelte. Auch sie war in die Jahre gekommen, und dennoch zeugten ihre Gesichtszüge von einer Schönheit, wie Kepplinger sie selten zuvor gesehen hatte. Dimitra bestand darauf, dass er sich persönlich von der heutigen Speisekarte überzeugen sollte. Sie öffnete einen um den anderen Topfdeckel und informierte ihn über den Inhalt und die Zubereitung der Köstlichkeiten. Alles roch verführerisch. Am liebsten hätte er von allem probiert, und schließlich bestellte er eine Grillplatte nach Art des Hauses. Das Essen schmeckte fantastisch. Er langte kräftig zu und aß, bis er nicht mehr konnte. Nachdem er das Besteck in die Tellermitte gelegt hatte, kam Alexandros mit einer Flasche Ouzo an seinen Tisch und schenkte ein.
»Und, hat geschmeckt?«, erkundigte er sich.
»Ich habe noch nie so gut gegessen«, sagte Kepplinger zufrieden. Alexandros lächelte und hob das Glas.
»Jamas – das heißt Prost auf Griechisch.«
»Jamas«, sagte Moritz und leerte das Glas in einem Zug.
Alexandros schenkte sofort nach.
»Du warst noch nie hier«, sagte er. »Neu in Stadt?«
Kepplinger nickte.
»Seit gestern.«
»Freut mich – Jamas!«
Nach dem dritten Glas erhob sich der Wirt und kümmerte sich um die anderen Gäste. Kepplinger beobachtete dieselbe und zugleich ungewohnte Freundlichkeit, die er auch ihm gegenüber gezeigt hatte. Bei vielen anderen Menschen würde so ein Verhalten aufgesetzt wirken, dachte er, aber bei dem Griechen waren Verhalten, Gestik und Mimik absolut authentisch. Die Herzlichkeit wirkte regelrecht ansteckend. Später am Abend berichtete Alexandros von seinem Sohn, der vor wenigen Tagen nach Grie chenland zurückgeflogen war, um seinen Wehrdienst abzuleis ten.
»Ich hoffe, er muss nie in Krieg«, sagte er besorgt.
Sie sprachen über die angespannte Situation in Zypern und über die Gründe, warum Alexandros vor vielen Jahren beschlossen hatte, seine Heimat zu verlassen. Kepplinger erzählte, dass er Polizist sei und deswegen nach Göppingen gekommen wäre.
»Polizist sein ist gefährlicher Beruf. Viel gefährlicher als Militär«, sagte Alexandros besorgt. »Wenn du gerufen wirst, du nicht weißt, ob Mörder oder Rechtsanwalt auf dich wartet!« Der Wirt massierte nachdenklich seine Schläfen.
Dann sah er Kepplinger in die Augen. »Oder Rechtsanwalt, der einen Mord begangen hat.«
Moritz dachte lange über dieses einfache, aber treffende Beispiel nach. Im Grunde genommen hatte der Grieche die Herausforderungen seiner Arbeit in der kürzesten Form zusammengefasst.
Es war weit nach Mitternacht, als Alexandros zum letzten Mal die Gläser füllte und sich mit einem Augenzwinkern in die Küche verzog. Kepplinger fühlte sich, obwohl er jämmerlich nach Alkohol und Knoblauch roch, auf eine angenehme Art wohl.
Endlich tauchte das Taxi am Ende der Straße auf.
Zurück in der leeren Wohnung hatte er das Bedürfnis, Valerie anzurufen. In letzter Sekunde hielt ihn die Erinnerung an seinen letzten Rausch ab. Auch damals hatte er sie angerufen, doch seine Freundin hatte einfach aufgelegt und zwei Wochen lang kein Wort mit ihm geredet. Seufzend warf er das Handy auf seine Matratze und fiel kurze Zeit später in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
In der Nacht wachte er verschwitzt auf und zog sich bis auf die Unterwäsche aus. Anschließend trank er die Hälfte einer Wasserflasche. Bevor er einschlief, musste er an die Gespräche mit dem Wirt denken. Daran, dass er sich auf eine abenteuerliche Wette eingelassen hatte. Er beschloss, alles daranzusetzen, die Herausforderung anzunehmen. Und zu gewinnen.
SONNTAG
21. Juli 2013
S usanne Jessen hatte beim Italiener die Lieblingspizza ihrer Tochter bes tellt und freute sich auf den bevorstehenden Abend. Regelmäßig sahen sie sich am Sonntagabend die Lindenstraße an und aßen dazu Pizza. Es kam selten vor, dass Manuela die Serie bei ihrem Vater sehen
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