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Hochzeit auf Raten

Hochzeit auf Raten

Titel: Hochzeit auf Raten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Georg Kaufmann
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Plätschern des Wassers. Klang es nicht wie Musik? Waren das nicht die Klänge aus Rugiero Leoncavallos »Bajazzo«?
    Ich richtete mich auf und fiel, meiner Nacktheit nicht achtend, mit voller Stimme ein: »Hüll dich in Tand nur und schminke dein Antlitz, man hat bezahlt ja, will lachen für sein Geld -«
    Nur noch mit einem Bein im irdischen Jammertal, sah ich Isabell wie durch einen Nebelschleier mit verzweifelter Gebärde hereinstürzen.
    »Um Himmels willen schweig!« rief sie. »Du weckst das ganze Haus auf!«
    Und wenn sie der Erzengel Gabriel gewesen wäre, sie hätte mich nicht mehr zum Schweigen gebracht. Mit der ganzen Lautstärke, der ich fähig war, mit verklärtem Antlitz setzte ich von neuem an: »Lache, Bajazzo, schneide die tollsten Grimassen, kennst kein Gefühl, bist nur ein Spielzeug zum Scherz!«
    Um das Schluchzen, in das ich hierauf rollengemäß ausbrach, hätte mich selbst ein Caruso beneidet. Es hätte das verwöhnte Publikum der Mailänder Scala zu Beifallsstürmen hingerissen. Isabell blieb es Vorbehalten, meinen Auftritt in einem jämmerlichen Winseln zu ersticken, indem sie den Heißwasserhahn bis zum Anschlag öffnete. Sämtliche Teile meines Körpers mit affenartiger Behendigkeit reibend, sprang ich aus der Wanne, glitt auf den nassen Fliesen aus und torkelte zum Bett, wo ich jäh das Bewußtsein verlor.
    Als ich wieder zu mir kam, dämmerte der Morgen.
    Isabell schüttelte mich wie eine Medizinflasche.
    »Hoiho!« grunzte ich und drehte mich auf die andere Seite.
    »Wir müssen fort«, flüsterte sie aufgeregt, »und zwar auf der Stelle, ehe die anderen auf wachen.«
    »Fort? Wohin?«
    »Nach Hause!«
    »Ah!« sagte ich und schlief wieder ein.
    Sie weckte mich von neuem! »Wir müssen! Hörst du? Wir müssen!«
    »Gute Reise!« murmelte ich.
    Sie riß mir die Decke herunter und traktierte mich mit ihren Fäusten.
    »Willst du im Polizeiarrest aufwachen?“
    »Polizeiarrest?« Ich fuhr kerzengerade in die Höhe. »Was heißt Polizeiarrest?«
    »Man wird uns einsperren«, erklärte sie mit fliegendem Atem.
    »Ogottogottogott«, klagte ich mit wehem Kopf. Und dann noch einmal: »Ogottogottogott!«
    »Wir haben keinen Groschen Geld mehr«, stieß sie hervor und sah mich an, als säßen wir bereits im Arrest.
    Ich mühte mich mit meinen glasigen Augen: »Kein Geld mehr?«
    »Deine Brieftasche ist leer. Ratzekahl leer. Ich habe eben nachgesehen. Was ich bei mir habe, reicht vielleicht für die Hotelrechnung, aber todsicher für kein Frühstück mehr.«
    »Wie leichtsinnig von dir«, stotterte ich.
    »Außerdem hast du für heute morgen das ganze Hotel zu einem Sektfrühstück eingeladen.«
    »Ogottogottogott.«
    »Wenn mein Geld nicht reicht, müssen wir deine Uhr verkaufen.«
    » Ogottogottogott. «
    Ich verstand zwar noch immer nicht, um was es ging, aber eines empfand ich dumpf, daß Gefahr im Anzug war. Und zwar höchste Gefahr. Und daß uns nur die Flucht blieb. Erst langsam fügten sich die Bruchsteine des vergangenen Abends in meinem Gehirn zu einem einheitlichen Ganzen, wobei aber noch immer etliche Lücken zurückblieben.
    Nun, meine Uhr blieb mir erhalten. Isabells Barvermögen deckte die Hotelrechnung auf Heller und Pfennig. Die Trinkgelder sind wir allerdings noch heute schuldig.
    Es war ein trauriger Auszug. In früher Morgenstunde schlichen wir zum Bahnhof, unser Gepäck höchst eigenhändig schleppend. Die Hilfe des Hotelboys hatten wir aus naheliegenden Gründen abgelehnt. Ich dankte dem Himmel, daß wir daheim wenigstens eine Retourfahrkarte gelöst hatten.
    »Schuld an allem ist dein verdammter Segelbootfahrer«, sagte ich, als wir endlich im Zug saßen, der sich langsam, viel zu langsam aus der Gegend entfernte, die uns beinahe zum Verhängnis geworden wäre.
    »Der Segelbootfahrer?«
    »Gewiß, sonst wären wir bereits gestern abgereist.«
    »Oh«, sagte sie, »der Segelbootfahrer war ein bemerkenswerter Mensch.«
    Ich lachte verächtlich: »Bemerkenswert? Ich habe selten einen gewöhnlicheren Schafskopf gesehen.«
    Wir schwiegen lange.
    »Was war er übrigens von Beruf?« fragte ich, nachdem ich zwei Aspirintabletten geschluckt hatte.
    Isabell sah mich groß an.
    Dann kam ihre Antwort, gezielt, überlegen und voll Triumph: »Filmregisseur!«

12

    Tiere können nicht reden; noch weniger können sie schreiben. Wenn diese Tiere überdies gar keine wirklichen Tiere sind, also etwa nur aus Stoff gemachte Puppen, können sie überhaupt nichts. Höchstens stumm dasitzen und

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