Hochzeit des Lichts (German Edition)
Menge von Engeln mit immer den gleichen Gesichtern; und doch verrät jedes dieser stummen, leidenschaftlichen Gesichter mir seine Einsamkeit.
Es handelt sich wirklich um Pittoreskes, Episodisches, um Nuance und Rührung. Es handelt sich wirklich eher um »Poesie«. Was zählt, ist die Wahrheit; und Wahrheit nenne ich alles, was dauert. Der Gedanke, dass in dieser Hinsicht nur die Maler unsern Hunger sättigen können, enthält eine versteckte Lehre. Die Maler haben das Vorrecht, auf ihre Weise den Roman des Körpers zu schreiben. Sie arbeiten in jenem herrlichen und vergänglichen Stoff, der »Gegenwart« heißt. Gegenwart aber stellt sich stets in einer Geste dar. Sie malen nicht ein Lächeln noch eine flüchtige Schamröte, ein Bedauern oder eine Erwartung, sondern ein Gesicht, seinen Knochenbau und sein Blut. Aus diesen, in ewigen Linien erstarrten Gesichtern haben sie für alle Zeit den Fluch des Geistes vertrieben: um den Preis der Hoffnung. Denn der Körper weiß nichts von Hoffnung. Er kennt nur den Pulsschlag seines Blutes. Seine Ewigkeit besteht aus Gleichgültigkeit. Wie auf jener
Geißelung
von Piero della Francesca, wo auf einem frisch gesäuberten Hof der gemarterte Christus und der grobschlächtige Henker in ihrer Haltung dieselbe Gelassenheit verraten; schon weil diese Marter ohnehin keine Folgen hat und weil ihre Lehre am Rahmen des Bildes aufhört. Wozu Erschütterung fühlen für etwas, was seine Gegenwart nicht überlebt? Diese Gelassenheit und Größe des Menschen, der ohne Hoffnung ist, diese ewige Gegenwart – grade das haben erfahrene Theologen »Hölle« genannt. »Hölle« ist aber auch, wie jeder weiß, das leidende Fleisch. Bei diesem Fleisch verweilen die Toskaner und nicht bei seinem Schicksal. Es gibt keine prophetischen Bilder. Und Gründe für eine Hoffnung muss man nicht in den Museen suchen.
Die Unsterblichkeit der Seele beschäftigt in der Tat viele gute Leute. Wovon aber diese Leute von vornherein nichts wissen wollen, ist jene einzige Wahrheit, deren Besitz ihnen gegönnt ist: ihr Körper. Denn der Körper stellt sie nicht vor Probleme; und tut er’s doch, so kennen sie auch die einzige Lösung, die er ihnen vorschlägt: Es handelt sich um die Wahrheit, die verwesen muss, was ihr jenen bitteren Adel verleiht, dem sie nicht ins Gesicht zu sehen wagen. Die guten Leute halten sich lieber an die »Poesie«, die »zur Seele spricht«. Man sieht, ich spiele mit Worten. Man versteht aber auch, dass ich nur um der Wahrheit willen eine höhere Poesie rechtfertigen will: jene schwarze Flamme, die von Cimabue bis Francesca in den Landschaften der italienischen Maler glüht als der klarsichtige Widerspruch des in eine Welt geworfenen Menschen, deren Glanz und Herrlichkeit unermüdlich einen Gott verkünden, den es nicht gibt.
Es kommt vor, dass ein Gesicht durch seine Gleichgültigkeit und Härte die steinerne Größe einer Landschaft hat. Wie gewisse spanische Bauern schließlich ihren Ölbäumen ähnlich werden, so werden Giottos Gesichter frei von den lächerlichen Schatten, in denen die Seele sich bekundet, schließlich zu Verkündern jener einzigen Lehre, die Toskana uns allerorten vorhält: Leidenschaft statt Gefühlswallungen; eine Mischung von Askese und Genuss; ein Zusammenklingen des Menschen und der Erde, was beide, den Menschen wie die Erde, in die Mitte zwischen Leiden und Liebe stellt. Es gibt nicht allzu viele Wahrheiten, die das Herz überzeugen. Und diese Wahrheit wurde mir klar an einem Abend, als sich die Schatten einer tiefen stummen Trauer auf die florentinischen Weinberge und Ölbäume senkten. Aber die Trauer dieses Landes ist immer nur die Kehrseite seiner Schönheit. Und als ich den Zug durch den Abend fahren sah, fühlte ich, wie mein innerer Krampf sich löste. Kann ich heute daran zweifeln, dass dieser Augenblick der Trauer dennoch ein Augenblick des Glücks gewesen ist?
Italien, das diese Lehre durch seine Menschen bekräftigt, bestätigt sie auch durch seine Landschaft. Aber nur zu leicht versäumt man das Glück, da es immer unverdient ist. Das gilt auch für Italien, dessen Zauber uns oft plötzlich, aber nicht immer unmittelbar berührt. Mehr als jedes andere Land fordert Italien dazu auf, eine Erfahrung, die es uns gleich beim ersten Mal in ihrer ganzen Fülle zu schenken scheint, zu wiederholen und zu vertiefen. Denn es verschwendet zunächst all seine Poesie, um desto sicherer seine Wahrheit für sich zu behalten. Die ersten Verzauberungen vergessen
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