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Hochzeit des Lichts (German Edition)

Hochzeit des Lichts (German Edition)

Titel: Hochzeit des Lichts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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können, was man am Geliebten besonders liebt. Diese »Schularbeit« kann ich ja hier in Bezug auf Algerien versuchen.
    Vor allem ist die Jugend schön. Die Araber von Natur und auch die andern. Die Franzosen von Algerien sind eine zufällige Mischrasse. Spanier und Elsässer, Italiener, Malteser, Juden, Griechen sind sich hier begegnet. Diese außergewöhnlichen Vermischungen haben – wie in Amerika – zu glücklichen Ergebnissen geführt. Seht euch in Algier die Handgelenke der Frauen und der jungen Männer an, und denkt an jene in der Pariser Métro.
    Der noch junge Reisende wird auch feststellen, dass die Frauen schön sind. Am besten beobachtet man dies von der Terrasse des Café des Facultés, Rue Michelet in Algier, an einem Sonntagmorgen im April. Ganze Scharen von jungen Frauen, mit Sandalen und leichten bunten Stoffen bekleidet, spazieren die Straße auf und ab. Man darf sie ohne falsche Scham bewundern: Sie sind dafür gekommen. Auch die Bar Cintra, Boulevard Galliéni in Oran, ist ein guter Beobachtungsposten. In Constantine spaziere man um den Musikkiosk. Doch da das Meer Hunderte von Kilometern entfernt ist, fehlt vielleicht den Frauen hier irgendetwas. Im Allgemeinen bietet Constantine wegen seiner geografischen Lage weniger Annehmlichkeiten, doch ist dort die Langeweile feiner.
    Wenn der Reisende im Sommer ankommt, soll er als Erstes an den Strand gehen. Dort wird er dieselbe Jugend antreffen, noch strahlender, weil weniger bekleidet. Die Sonne verleiht ihr die schläfrigen Augen großer Tiere. In diesem Hinblick ist der Strand von Oran am schönsten, weil die Natur und die Frauen am wildesten sind.
    An Malerischem bietet Algier eine Araberstadt, Oran ein Schwarzenviertel und ein spanisches Quartier, Constantine ein Judenviertel. Algier hat eine lange Kette von Boulevards längs des Meeres; man muss dort nachts herumbummeln. Oran hat wenig Bäume, doch die schönsten Steine. Constantine besitzt eine Hängebrücke, auf der man sich fotografieren lässt. Bei starkem Wind schaukelt die Brücke über den tiefen Schluchten des Rummel, und das gibt einem das Gefühl von Gefahr.
    Dem sensiblen Touristen empfehle ich, falls er nach Algier geht, unter den Gewölben des Hafens eine Anisette zu trinken, des Morgens bei der Pêcherie frisch grillierten Fisch zu kosten; er höre sich arabische Musik an in einem kleinen Café an der Rue de la Lyre, dessen Namen ich vergessen habe; er setze sich um sechs Uhr abends zu Füßen der Statue des Herzogs von Orléans, Place du Gouvernement (nicht wegen des Herzogs, sondern der Leute wegen, die vorbeigehen); er speise im Restaurant Padovani, einer Art Dancing auf Pfählen, am Meer, wo das Leben leicht ist; er besuche die arabischen Friedhöfe, um dort Ruhe und Schönheit zu finden, er rauche eine Zigarette Rue des Bouchers in der Kasbah, inmitten von Milz, Leber, Gekröse und blutigen Lungen (die Zigarette ist nötig, da dieses Mittelalter streng riecht).
    Im Übrigen sollte man in Oran schlecht über Algier sprechen (und die kommerzielle Überlegenheit des Hafens von Oran betonen), sich in Algier über Oran lustig machen (ohne Vorbehalt zustimmen, dass die Oraner »nicht zu leben verstehen«) und jederzeit bescheiden die Überlegenheit Algeriens über Frankreich anerkennen. Nach diesen Zugeständnissen hat man Anlass, die wirkliche Überlegenheit des Algeriers über den Franzosen zu entdecken, das heißt, seine grenzenlose Freigebigkeit und seine natürliche Gastfreundschaft.
    Und an diesem Punkte könnte ich vielleicht die Ironie sein lassen. Schließlich ist die beste Art, über das, was man liebt, zu sprechen, wenn man es leichthin tut. Wenn ich von Algerien spreche, habe ich immer Angst, jene Saite in meinem Innern zu berühren, deren blinden und ernsten Gesang ich allzu gut kenne. Doch kann ich zumindest sagen, dass es meine Heimat ist und dass ich an jedem Ort der Welt ihre Söhne und meine Brüder an meinem Freundeslachen erkenne, mit dem ich sie begrüße. Ja, alles, was ich an diesen algerischen Städten liebe, ist untrennbar mit ihren Menschen verbunden. Darum bin ich so gerne dort, in den Abendstunden, wenn aus den Büros und den Häusern in die noch unbeleuchteten Straßen eine schwatzende Menge strömt, die sich bis zu den Boulevards am Meer ergießt und allmählich verstummt, je mehr die Nacht hereinbricht und sich die Lichter des Himmels, die Leuchttürme der Bucht und die Straßenlaternen in undeutlichem Geflimmer vermengen. Ein ganzes Volk versammelt

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