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Hochzeit des Lichts (German Edition)

Hochzeit des Lichts (German Edition)

Titel: Hochzeit des Lichts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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sein Schlaf nicht tödlich ist, damit die Wiedergeburt möglich werde. Manchmal zweifle ich, ob es erlaubt ist, den heutigen Menschen zu retten. Doch die Kinder dieses Menschen kann man retten in ihrem Körper und in ihrem Geist. Man schenke ihnen gleichzeitig die Möglichkeiten des Glückes und die der Schönheit. Wenn wir uns damit abfinden müssen, ohne die Schönheit und die Freiheit, die sie bedeutet, zu leben, so erinnert der Mythos des Prometheus daran, dass jede Einschränkung des Menschen nur vorübergehend sein kann und dass man dem Menschen nur dient, wenn man ihm ganz dient. Hungert er nach Brot und nach Heidekraut, und ist es wahr, dass das Brot notwendiger ist, lehren wir ihn die Erinnerung an das Heidekraut bewahren. Im dunkelsten Herzen der Geschichte werden die Geschöpfe des Prometheus, ohne ihr hartes Werk zu unterbrechen, auf die Erde blicken und auf das unermüdliche Gras. Der gefesselte Held bewahrt inmitten von Blitzen und göttlichem Donner seinen ruhigen Glauben an den Menschen. Und so ist er härter als der Fels und geduldiger als der Geier. Mehr als seine Revolte gegen die Götter hat diese lange, geduldete Beharrlichkeit Wert für uns. Und es ist dieser bewundernswerte Wille, nichts zu trennen noch abzusondern, der immer wieder das leidende Herz der Menschen versöhnt hat.

Kleiner Führer durch Städte ohne Vergangenheit
    Die Sanftheit Algiers ist beinahe italienisch. Der grausame Glanz Orans hat etwas von Spanien. Auf einem Hügel über den Schluchten des Rummel aufragend, erinnert Constantine an Toledo. Aber Italien und Spanien strömen über von Erinnerungen, Kunstwerken und bedeutenden kulturellen Spuren. Und Toledo hatte seinen Greco und seinen Barrès. Die Städte hingegen, von denen ich spreche, haben keine Vergangenheit. Es sind Städte ohne Hingabe und ohne Zärtlichkeit. In den Stunden der Langeweile, den Ruhestunden, ist die Trauer unerbittlich und ohne Melancholie. Im Licht des Morgens oder im naturhaften Prunk der Nächte ist die Lust hingegen ohne Sanftmut. Diese Städte bieten nichts der Betrachtung und den Leidenschaften alles. Sie sind weder für die Weisheit geschaffen noch für den nuancierten Geschmack. Ein Barrès und seinesgleichen würden von ihnen zermalmt.
    Reisende, die Leidenschaft suchen (Leidenschaft der andern), allzu nervöse Intellektuelle, Ästheten und Jungvermählte würden bei einer Reise nach Algerien nichts gewinnen. Man möchte niemandem raten, sich für immer dahin zurückzuziehen, es sei denn, er verspüre eine absolute Berufung. In Paris bin ich manchmal versucht, Leuten, die mich über Algerien ausfragen, zuzurufen: »Geht nicht hin!« Dieser Scherz birgt einen wahren Kern. Denn ich sehe wohl, was sie erwarten und nicht finden werden. Und ich kenne zugleich den Zauber und die heimtückische Macht dieses Landes, die einschmeichelnde Weise, mit der es die Zögernden zurückhält, sie lähmt, ihnen erst die Fragen entzieht, um sie schließlich einzulullen im alltäglichen Leben. Die Offenbarung dieses Lichtes, das durch seine strahlende Helligkeit geradezu schwarz-weiß erscheint, hat im Anfang etwas Atemberaubendes. Man gibt sich hin, man bleibt und merkt erst allmählich, dass dieser allzu strahlende Glanz der Seele nichts zu geben vermag und nur ein maßloser Genuss ist. Dann möchte man zum Geist zurückfinden. Doch die Menschen dieses Landes haben, und das ist ihre Stärke, offensichtlich mehr Herz als Geist. Sie können Freunde sein (und was für Freunde!), aber sie werden nie Vertraute sein. Und dies mag erschreckend scheinen in Paris, wo ein so großer Austausch der Seelen stattfindet, wo das Wasser der Vertraulichkeiten mit leisem Plätschern dahinströmt, unversiegbar zwischen den Brunnen, den Statuen, den Gärten. Dieses Land erinnert am meisten an Spanien. Doch Spanien ohne die Tradition wäre bloß eine schöne Wüste. Und außer denen, die durch Zufall hier geboren wurden, gibt es nur eine ganz bestimmte Art von Menschen, die daran denken können, sich in der Wüste für immer niederzulassen. Da ich in der Wüste geboren wurde, kann ich nicht wie ein Besucher darüber sprechen. Zählt man die Reize einer geliebten Frau einzeln auf? Nein, man liebt sie ganz, mit einer besonderen Schwäche für das eine oder andere.
    Genauso habe ich mit Algerien ein langes Verhältnis, das wohl nie aufhören wird und das mich hindert, ganz objektiv zu sein. Einzig wenn man sich sehr Mühe gibt, wird man sozusagen abstrakterweise das unterscheiden

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