Hochzeit im Herrenhaus
Gentleman so offenherzig zu ermutigen? Nicht dass ich etwas dagegen hätte”, fügte er lächelnd hinzu. “Vorausgesetzt, es handelt sich ausschließlich um
meine
Annäherungsversuche.”
“Mein Verhalten …?”, stieß sie entrüstet hervor. “Und deines? Nutzt du bei allen jungen Damen eine momentane Schwäche aus, um deine niederen Instinkte zu befriedigen?”
“Diese Beschuldigung muss ich entschieden zurückweisen. Gewiss, ich habe nicht das Leben eines Mönchs geführt. Aber niemand darf mir vorwerfen, ich sei nicht wählerisch gewesen.”
“Wie kannst du in solchen Dingen nur alberne Witze machen!”, schimpfte sie. “Ich verstehe einfach nicht, warum du dein künftiges Glück aufs Spiel setzt, indem du so leichtsinnig mit einer Frau tändelst – die nicht zu dir passt …”
“Ganz im Gegenteil”, konterte er, immer noch belustigt. “Ich bin fest entschlossen, die Frau zu heiraten, der mein ganzes Herz gehört und die mein Wesen vollkommen ergänzt. Ohne sie zu leben – das erscheint mir unvorstellbar. Insbesondere, nachdem sie vorhin, in jenen kostbaren Minuten, meine letzten Zweifel zerstreut hat. Nun weiß ich Bescheid – du erwiderst meine unsterbliche Liebe mit gleicher Glut.”
Diesen Worten folgte ein langes Schweigen, und er fürchtete, Annis hätte nichts verstanden. Oder vielleicht wollte sie nichts verstehen. Dann schaute sie ihn an – maßloses Staunen in den schönen grüngrauen Augen, bevor sie die Lider senkte, um ihre Tränen zu verbergen.
Dankbar nahm sie das Taschentuch entgegen, das er in ihre bebende Hand drückte. Dann legte er besänftigend einen Arm um ihre Schultern, und sie lehnte sich an ihn. Die Erkenntnis, dass es kein belangloser Kuss gewesen war, dass der geliebte Mann ihre Gefühle teilte, war so überwältigend, dass sie ihre kostbare Selbstkontrolle verlor und ihren Tränen freien Lauf ließ.
“Ach, du lieber Gott, was musst du von mir denken?”, flüsterte sie, nachdem sie sich einigermaßen gefasst und das feine Leinentuch benutzt hatte, um ihre feuchten Wangen abzuwischen.
“Dass du mir eine Erklärung schuldest, mein Liebling. Offenbar hast du erwartet, ich würde auf Grandmamas Geburtstagsparty eine Erklärung abgeben, die aber nicht uns beide betrifft.”
“Ja, natürlich habe ich mit einer anderen Verlautbarung gerechnet”, gab sie zu, weil sie keinen Grund sah, ihn zu belügen. “Ich dachte, du willst Miss Fanhope heiraten.”
“Was, Caroline? Aber …” Verblüfft schüttelte er den Kopf. “Wer um alles in der Welt hat dich auf diese absurde Idee gebracht? Und sag bloß nicht, es sei Sarah gewesen. Das würde ich dir nicht glauben. Gewiss, ich schrieb ihr, ich würde in London ein paar Freunde besuchen und zu unserer Feier einladen. Aber ich kenne sie gut genug. Selbst wenn sie ahnt, was dahintersteckt, würde sie ihre Vermutung für sich behalten, solange sie nicht offiziell informiert ist.” Deverel rückte ein wenig von Annis ab, um die schuldbewusste Miene zu studieren, die sie nicht unterdrücken konnte. “Das hast du dir selber zusammengereimt!”, rief er anklagend.
“Ja – nein … Also, ja”, gestand sie schließlich. “Sobald ich herausfand, du würdest ein größeres Fest geben, als es ursprünglich geplant war, fragte ich mich nach deinen Gründen. Schließlich sagte ich mir, du willst etwas ganz Besonderes feiern. Nämlich eine Verlobung. Und damit hatte ich recht.”
“Allerdings. Du hast nur auf die falsche Braut getippt.”
“Wie sollte ich denn wissen …?”
“Dass ich mich rettungslos in dich verliebt habe?”, vollendete er den Satz, nachdem sie in mädchenhafter Scheu verstummt war und erneut errötete. Behutsam legte er einen Finger unter ihr Kinn, hob ihr Gesicht empor und zwang sie, ihn anzuschauen. “Wie solltest du auch auf einen so abwegigen Gedanken kommen, während ich alles tat, um dich hier festzuhalten, außer dich in deinem Zimmer einzusperren? Allmählich fand ich keine Argumente mehr, um deine Abreise zu verhindern.”
“Wenn keine Gefühle im Spiel sind, sieht man die Dinge viel klarer”, verteidigte sie sich lächelnd. Dann wurde sie wieder ernst, von einer beklemmenden Erinnerung an ihre gesellschaftliche Position gepeinigt. “Hast du dir das auch gut überlegt, Deverel? Vielleicht werden nicht alle deine Verwandten und Freunde die Wahl deiner künftigen Gemahlin billigen. Bedenk doch – ich stamme nicht aus deiner Welt, denn das Verhalten meiner Mutter …”
“Hör auf
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