Hochzeit im Herrenhaus
damit!”, unterbrach er sie in so scharfem Ton, dass sie zusammenzuckte. “Ja, schau nur erschrocken drein, mein Mädchen! Und verschone mich mit diesem Unsinn! Wenn dir bisher die gesellschaftliche Anerkennung, die du verdienst, auch verweigert blieb, deine Mutter hat dich zu einer echten Dame erzogen. Nur ein blinder Idiot würde dich anders beurteilen. Zu unserer Hochzeit werden wir
alle
Mitglieder deiner und meiner Familie einladen. Falls irgendjemand nicht erscheinen möchte – sei’s drum. Jedenfalls wird mich dieses Problem nicht um den Schlaf bringen. Aber ich glaube, du wirst staunen, wie viele Leute uns beehren werden.”
Im Brustton der Überzeugung machte er ihr klar, dass sie die Situation völlig falsch einschätzte. Für ihn war ihre untergeordnete gesellschaftliche Stellung von Anfang an unwichtig gewesen. Und was andere Menschen denken mochten, interessierte ihn nicht.
“Offenbar hast du darüber nachgedacht”, meinte sie leise.
“Nur ein bisschen. Etwas anderes hat mir viel mehr Kopfzerbrechen bereitet”, fügte er hinzu und zog das glitzernde Schmuckstück aus seiner Tasche, das er ihr eigentlich erst später hatte präsentieren wollen. Sekunden später zierte es den dafür vorgesehenen Finger ihrer linken Hand, bevor sie eine Gelegenheit fand, den perfekten funkelnden Stein zu betrachten. “Zunächst dachte ich an die Smaragde. Aber dann erinnerte ich mich an deine Abneigung gegen diesen Edelstein.”
Annis gab nicht vor, sie würde ihn missverstehen. Nur zu lebhaft entsann sie sich, wie töricht sie seine Worte missdeutet hatte. “Du hast mein Verhalten falsch interpretiert, Deverel. Genauso, wie ich deine Bemerkung, Smaragde würden mir besser stehen als mein Schmuck. In Zukunft werden wir solche dummen Missverständnisse vermeiden.” Lächelnd hob sie ihre Hand, um den kostbaren Diamanten zu bewundern. “Einen schöneren Ring hättest du gar nicht aussuchen können. Und er passt perfekt! Wie ist das möglich?”
“Ganz einfach. Du hast in Fanhopes Spielsalon deine Perlen auf den Tisch gelegt. Während der allgemeinen Aufregung nahm ich den Ring unbemerkt an mich, um die Größe abzumessen, und danach übergab ich ihn deiner Zofe.”
Als er jenen unerfreulichen Abend erwähnte, sah er einen Schatten über ihr Gesicht gleiten. Abrupt stand er auf und zog sie auf die Beine. “Komm, gehen wir ins Haus. Nun will ich das ganz besondere Glück genießen, unsere Verlobung bekannt zu geben.”
Am nächsten Morgen wollte Annis gar nicht aus dem Bett steigen. Zufrieden schwebte sie in einem warmen Kokon zwischen der Wirklichkeit und einer magischen Märchenwelt, in der die Prinzessin nach langen Irrwegen endlich die Liebe ihres Prinzen gewonnen hatte.
“Oh, ich fühle mich einfach himmlisch als Braut, Eliza!”, jubelte sie.
“Das sehe ich Ihnen an, Miss”, lautete die trockene Antwort. “Noch dazu, weil Sie dauernd diesen Stein anstarren, der an Ihrem Finger steckt. Allerdings begreife ich nicht, warum Sie ihn keine Sekunde lang aus den Augen lassen. Sie können sich unmöglich einbilden, er wäre nicht da. Immerhin ist er so groß wie ein Hühnerei.”
Annis ließ ihre linke Hand sinken und warf ihrer Zofe einen missbilligenden Blick zu. “Wenn man Ihnen zuhört, könnte man glauben, mein kostbarer Besitz wäre protzig und vulgär! Das ist er nicht, sondern einfach nur
perfekt.
Ebenso wie der wundervolle Mann, der mir diesen Diamanten geschenkt hat.”
Seufzend verdrehte Eliza Disher die Augen. “Bald werden Sie wieder auf die Erde zurückkehren, Miss Annis. Immerhin haben Sie die Vernunft Ihrer Mutter geerbt.”
“Ja, genau das denkt Seine Lordschaft auch. Zumindest bildet er sich ein, ich wäre meiner lieben Mama viel ähnlicher, als ich’s selber vermute. Aber ich vermute, es war mein schelmischer, von meinem unverbesserlichen Grandpapa geerbter Charme, der den Viscount zuerst bezaubert hat. Habe ich das nicht trefflich ausgedrückt?”
“Wenn Sie meinen, Miss …”, seufzte Eliza.
“O ja, genau das meine ich.” Prüfend musterte Annis ihre langjährige treue Gefährtin. “Sie wussten es, nicht wahr? Als ich gestern heraufstürmte, um Ihnen von meiner Verlobung zu erzählen, waren Sie kein bisschen überrascht.”
“Natürlich nicht, Miss”, bestätigte die Zofe und lächelte selbstgefällig. “Übrigens habe ich versucht, Sie darauf hinzuweisen. Erinnern Sie sich? Als ich betonte, Seine Lordschaft würde eine grandiosere Party planen.”
“Nun ja –
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