Hochzeit im Herrenhaus
Mund hinab. Trotzdem zuckte sie zusammen.
“Mein armer Liebling, habe ich dir so wehgetan?”, flüsterte er. “Das tut mir unendlich leid. Soll ich den Arzt holen lassen? Vielleicht wird er dir eine Salbe geben, die deine Schmerzen besser lindert als das Mittel, das unsere tüchtige Miss Disher angewendet hat.”
“Was? Wegen dieser unbedeutenden kleinen Schramme willst du Dr. Prentiss bemühen? Das lasse ich nicht zu. Womöglich wird er woanders viel dringender gebraucht.”
“Eh – kleine Schramme?”, wiederholte er und erregte Annis’ Argwohn.
“Bring mir den Spiegel!”, befahl sie und schrie auf, nachdem er gehorcht hatte. Stöhnend musterte sie den violetten Fleck, der fast ihr ganzes linkes Auge umgab.
“Kein Wunder, dass Eliza heute Morgen alle Spiegel aus meiner Reichweite entfernt hat! Oh, wie grauenhaft!”, jammerte sie, ohne zu bemerken, dass der Viscount seine Belustigung nur mühsam verbarg. “Und ich wollte doch gut aussehen, wenn deine Verwandten und Freunde ankommen – die Spitzen der Gesellschaft, falls man Sarah glauben darf. Nun muss ich meine Verlobung mit einem blauen Auge feiern. Sicher werden mich alle Leute für eine Landstreicherin halten, die du am Straßenrand aufgelesen hast – nicht für eine wohlerzogene junge Dame …”
Da konnte Deverel seinen Lachreiz nicht mehr bezähmen, was Annis kein bisschen tröstete.
“Wenn ich dich auf etwas hinweisen darf, Mylord …”, begann sie in vorwurfsvollem Ton. “Nachdem du laut eigener Aussage nur selten gelacht hast, bevor du mir begegnet bist, scheinst du in erstaunlich kurzer Zeit einen ziemlich makabren Humor entwickelt zu haben.”
Statt zu antworten, küsste er sie voller Leidenschaft. Dann hallte sein Gelächter noch viel lauter durch das ganze Haus, und es sollte im Lauf seines langen, glücklichen Ehelebens noch sehr oft erklingen.
– ENDE –
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