Hochzeit im Herrenhaus
Trotzdem war der freudige Glanz in seinen Augen unverkennbar, als er den Kopf hob und feststellte, wer ihn besuchte.
“Verzeih mir die Störung, Deverel”, bat Annis, nachdem sie seinen Begrüßungskuss errötend erwidert hatte. “Normalerweise würde ich nicht wagen, dich von deiner Arbeit abzuhalten. Ich weiß, wie beschäftigt du bist, nachdem du so lange verreist warst. Aber … ich fürchte, wenn ich dieses Gespräch hinauszögere, würde ich mich vielleicht anders besinnen. Und das wäre nicht richtig.”
“Irgendwie klingt das bedrohlich”, meinte er, nachdem er ihrer verwirrenden Erklärung gelauscht hatte. “Sei versichert, Liebling – wenn du mir etwas Wichtiges erzählen möchtest, bin ich niemals zu beschäftigt. Nun, was bereitet dir Sorgen?”
“Also – es geht um einen jungen Mann. Während deiner Abwesenheit fand ich heraus, wer vor ein paar Wochen auf dich geschossen hat.”
Ohne mit der Wimper zu zucken, erklärte er: “Und du hast aus einem ganz bestimmten Grund beschlossen, die Identität des Missetäters nicht zu verraten.”
“Ich würde dich einweihen – vorausgesetzt, du versprichst mir, die Sache nicht weiterzuverfolgen.”
Deutlich genug gab ihr sein Schweigen zu verstehen, dass ihm ihr Wunsch missfiel.
“Da Lord Fanhope der Friedensrichter in dieser Gegend ist”, fuhr sie eindringlich fort, “solltest du die Angelegenheit auf sich beruhen lassen – besonders angesichts der jüngsten Ereignisse.”
“Um Himmels willen!” Stöhnend verdrehte Greythorpe die Augen. “Erzähl mir bloß nicht, der elende Charles würde hinter jenem Anschlag stecken!”
“Doch. Er hat jemandem den Auftrag gegeben.”
“Aber –
warum
?”, fragte er ungläubig. “Was habe ich verbrochen, um so heftige Rachegelüste zu erregen?”
“Nach allem, was ich herausgefunden habe, wurde er weder von Zorn noch von Rachsucht dazu veranlasst.” Lächelnd legte sie ihre Hände auf seine Schultern. “So seltsam du das auch finden magst – sogar andere Leute hatten sich in den Kopf gesetzt, du würdest Caroline Fanhope heiraten. Charles glaubte, du würdest ihr irgendwann einen Antrag machen. Um das zu beschleunigen, schmiedete er einen verrückten Plan. Du solltest verwundet und dann von seiner Schwester liebevoll gepflegt werden. Vor lauter Dankbarkeit würdest du einen Hochzeitstermin festsetzen.”
“Großer Gott!”, flüsterte Deverel entgeistert. “Keine Bange, ich werde nichts gegen diesen jungen Mann unternehmen.”
Nach dem Lunch ritt der Viscount zu Nanny Berrys Cottage, nur von Rosie begleitet, die beschlossen hatte, ihre geliebte Herrin für eine kleine Weile zu verlassen, um sich an der frischen Luft zu bewegen.
Annis hatte nicht mitkommen wollen. Warum, wusste er nicht genau. Vielleicht zog sie es vor, Sarah bei den Arrangements für die bevorstehende Party zu helfen. Oder sie glaubte – und er neigte etwas eher zu dieser Vermutung –, er müsse allein mit Jack Fletcher reden, damit sie sein Urteil über Charles Fanhopes ehemaligen Reitknecht nicht beeinflusste. Er hatte ihr versprochen, keine Anklage gegen den Burschen zu erheben. Und er würde sein Wort halten.
Ob er den Mann, der unverschämterweise auf ihn geschossen hatte, einstellen würde, das stand auf einem anderen Blatt. Wie auch immer, als er sein Pferd an den Pfosten vor dem frisch getünchten, gut instand gehaltenen Cottage der alten Frau festband, beschloss er, Jack Fletcher unvoreingenommen zu begegnen.
Zunächst verbrachte er einige Zeit mit Nanny Berry, eine der wenigen Personen, die ihm in seiner Kindheit echte Liebe entgegengebracht hatten. Die Neuigkeit von seiner Verlobung, zweifellos von Dienstboten verbreitet, war bereits zu ihr gedrungen. Nun beteuerte sie, wie sehr sie sich darüber freue und dass sie seine Wahl aus vollem Herzen gutheiße.
Dann sang sie ein Loblied auf den jungen Mann, der den verwilderten Garten hinter dem Haus innerhalb weniger Tage vom Unkraut befreit und Gemüsebeete angelegt hatte.
Was immer man gegen Jack Fletcher vorbringen mochte – er war keinesfalls arbeitsscheu. Und nachdem er ihn kennengelernt hatte, beschloss Deverel schon sehr bald, jene Missetat zu vergessen. “Also, Sie junger Schurke – wollen Sie für mich arbeiten, da Miss Milbank in Greythorpe Manor bleiben wird?”
“Aye, Mylord, sehr gern.”
“Nach allem, was mein Oberreitknecht mir mitgeteilt hat, wären Sie ein idealer Nachfolger meines Wildhüters, der in ein oder zwei Jahren seinen Ruhestand
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