Hochzeit in St. George (German Edition)
befinden scheint, das es wert wäre, geraubt zu werden?« schlug dieser vor. »Denn wer will schon den ganzen griechischen Plunder?«
»Falsch!« urteilte der Inspektor mit gestrenger Miene. »Es ist erstens unwahrscheinlich, weil wir keinerlei Spuren gefunden haben, die auf ein gewaltsames Eindringen des Täters schließen lassen. Die Türen waren nach übereinstimmenden Aussagen der Dienerschaft versperrt, die Fenster geschlossen. Hinweise darauf, daß eine Tür oder ein Fenster gewaltsam geöffnet worden wäre, gibt es nicht. Daraus kann man schließen, daß der Täter sich bereits im Hause aufhielt, als Fenster und Türen geschlossen wurden.«
»Es sei denn, eine Tür war trotz allem offengelassen worden und einer der Dienstboten verschweigt dies, um sich nicht dem Tadel seiner Herrschaft auszusetzen«, wandte MacWindell ein.
»Sehr richtig«, bestätigte der Inspektor. »Ein Gedanke, der mir auch bereits durch den Kopf gegangen ist. Natürlich gibt es daneben noch die Möglichkeit, daß einer der Diener den Mörder absichtlich ins Haus ließ. Das bringt uns zu der Frage: Wer profitierte von diesem Mord am meisten?«
»Richard Willowby«, antwortete der Assistent wie aus der Pistole geschossen.
»Das hatten wir schon. Das hatten wir schon. Nein, da muß es eine elegantere Lösung geben. Bei Richard Willowby liegt der Vorteil zu klar auf der Hand.« Er griff in seine Tasche und holte die Schnupftabakdose hervor: »Doch wir schweifen von unserer ursprünglichen Frage ab«, sagte er nach einer starken Prise. »Wir sprachen davon, warum der Täter kein bei einem Raub überraschter Eindringling sein kann. Der zweite Grund, der mir als der wichtigere erscheint als der, daß Türen und Fenster geschlossen gewesen sein sollen, ist der, daß der Viscount am Tisch saß.«
»Warum sollte er nicht?« fragte sein Assistent verwundert. »Es war doch kurz nach dem Abendessen. Er wird beim Portwein sitzengeblieben sein, während sich sein Sohn bereits zurückzog.«
»Falsch«, entgegnete der Inspektor. »Wenn man Richard Willowby Glauben schenken darf, und es spricht im Augenblick nichts dagegen, dies zu tun, haben Vater und Sohn das Eßzimmer gemeinsam verlassen. Der Viscount muß also später noch einmal zurückgekehrt sein.«
»Aber warum sollte er?« wandte MacWindell ein.
»Vielleicht, um nachzudenken?« schlug der Inspektor vor. »Vielleicht aber auch, um dort mit jemand anderem zu sprechen.«
»Mit seinem späteren Mörder?«
Der Inspektor nickte. »Es könnte sein. Doch nun zurück zu dem Gedanken, der Mörder sei ein beim Raub ertappter Einbrecher: Dieser müßte also in jener Zeitspanne in das Eßzimmer gelangt sein, als Vater und Sohn es verließen, bis zu dem Zeitpunkt, da der Vater es wieder betrat.«
»Oder er ist die ganze Zeit über dort gewesen. Hinter dem Vorhang versteckt, zum Beispiel«, gab MacWindell zu Bedenken.
Der Inspektor schüttelte den Kopf. »Ich habe mir die Vorhänge angesehen«, sagte er. »Sie sind nicht allzu dick und hängen direkt an der Wand. Es ist ausgeschlossen, daß sich dahinter jemand verbergen kann, ohne daß es einem anderen auffallen würde. Und da sich also ein Verbrecher in diesem Raum nicht verstecken konnte, kommt ein Einbrecher als Täter nicht in Frage. Der Viscount hätte sich doch kaum auf seinen Stuhl gesetzt, wäre da ein Fremder im Raum gewesen. Der dritte Grund, warum ich einen Einbrecher als Täter ausschließe, ist der, daß man den Versuch unternommen hat, die Statue, hinsichtlich deren der dringende Verdacht besteht, daß es sich um die Mordwaffe handelt, zu reparieren. Ein Einbrecher hätte dazu weder die Zeit noch die Möglichkeit gehabt.«
»Vielleicht war es einer der Diener, der die Reparatur ausführte«, schlug sein Assistent vor.
»Ja, vielleicht. Aber warum sollte er dies getan haben? Nein, ich bin zu dem Schluß gekommen, daß allein einer der Hausbewohner, den der Viscount kannte, als Täter in Frage kommt.«
»Wobei wir wieder bei der Frage angelangt sind, wer ein Motiv hatte«, stellte sein Assistent fest.
»Sehr richtig. Zum einen: Wer hatte ein Motiv? Zum anderen: Wer hat ein Interesse daran, Richard Willowby als Mörder am Galgen zu sehen? Denn wir haben dieses anonyme Schreiben erhalten, in demer der Tat verdächtigt wird. Das dürfen wir keinesfalls außer acht lassen. Der Mörder und der Briefschreiber dürften dieselbe Person sein.«
»Es können aber auch zwei verschiedene Personen sein«, wandte MacWindell ein.
»Wie wahr. Wie
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