Hochzeit in St. George (German Edition)
mitnehmen? Ich mag kleine Kinder nicht besonders. Und auf Reisen schon gar nicht. Alles wird noch strapaziöser. Ich kann Geheule nicht vertragen.«
»Keine Sorge, Hermes bleibt hier«, entschied Mrs. Mellvin. »Also abgemacht. Wir reisen in zwei Tagen. Spätestens in drei. Ich werde heimlich meine Koffer packen. Wir dürfen niemandem ein Wort verraten, denn sonst könnte ich die Truhe nie und nimmer aus dem Haus schaffen, ohne Gefahr zu laufen, daß man ihre Herausgabe verlangt.«
Und dann war also jener vierte Tag der Frist angebrochen, der die zukunftsweisende Entscheidung bringen sollte. Roger hatte, zunehmend nervös werdend, das Haus noch vor dem Lunch verlassen.
Hetty, Hugh und George begaben sich ihrem Plan gemäß zum Haus des Priesters, der Hetty und Hugh trauen sollte. Leider war diese Vorsprache nicht sehr erfolgreich. Die Pfarrersfrau bat sie, am nächsten Morgen wieder zu erscheinen, da ihr Gatte zu einer Beerdigung ins Nachbardorf gefahren war und nicht vor dem Abend zurückerwartet wurde.
Catharine und Richard zählten die Minuten. »Du wirst sehen, es gelingt dem Kerl nicht, den Pfarrer aufzutreiben«, sagte Richard zum wiederholten Male.
Sie saßen wieder auf der Bank unter dem Apfelbaum. Hermes hockte neben ihnen und legte aus Kieselsteinen Muster in den Rasen.
»Ich weiß nicht. Ich bin so nervös. Wenn ich nur wüßte, wo Roger seine Tage verbringt. Wenn ich doch ein bißchen mehr Zeit hätte! Ich würde Jeannette bitten, nach England zu kommen…«
Sie schreckte aus ihren Überlegungen auf, als Mrs. Mellvin zu ihnen trat und erklärte, daß ein Diener von Sir Thomas Streighton eben erschienen war, der um einen sofortigen Besuch des Viscount und der Viscountess bitten ließ. Aufgeregt, sich fest an den Händen haltend,ließen sich Catharine und Richard von Kermin zum Palais des Friedensrichters kutschieren.
Dieser erwartete sie, wie das vorige Mal, in der Bibliothek. Auch Roger war anwesend und blickte ihnen mit unverhohlenem Triumph entgegen. Der Grund dieses Hochgefühls stand neben ihm. Ein kleiner Mann mit grauem Haar und buschigen weißen Augenbrauen über wasserblauen Augen. Seine Kleidung wies ihn eindeutig als Geistlichen aus. Catharine erkannte ohne Zweifel in ihm den Priester wieder, der vor Jahren die Trauung zwischen Roger und ihr vorgenommen hatte. Ihr Herz sank. Rogers Lächeln vertiefte sich. Er hatte zu guter Letzt doch noch jenes Quentchen Glück, das dem Tüchtigen gebührt. Das tagelange Warten vor der Auffahrt zum Herrenhaus des Friedensrichters hatte sich gelohnt. Heute, nach dem Mittagessen, war es endlich soweit gewesen: Ein klappriges Gefährt, von zwei Pferden gezogen, näherte sich auf dem bestreuten Kiesweg. Roger hatte keine Schwierigkeiten gehabt, den Wagen anzuhalten. Etwas größere Schwierigkeiten hatte es ihm bereitet, den Pfarrer zu überzeugen, ihn anzuhören. Doch schließlich war es ihm gelungen, mit vor Verzweiflung zitternder Stimme, dem Geistlichen seine scheinbar so tragische Geschichte ins Ohr zu ergießen. Von seiner großen, alles überstrahlenden Liebe zu seiner Frau, die sich von ihm abgewandt habe, um einem anderen Mann anzugehören. ja, die, um den Frevel noch ins Unermeßliche zu steigern, behauptete, sie habe ihn, Roger, nie geheiratet. Und die nun mit einem anderen ebenfalls vor den Traualtar getreten war. Aus dem fernen Frankreich sei er angereist, um seine Gattin zurückzuholen. Doch ach, er konnte die Heirat nicht beweisen. Die Heiratsurkunde war verbrannt. Nun sei er, Hochwürden, seine einzige Rettung. Denn sicher erinnere er sich noch, ihn mit Catharine, der Tochter des Herzogs von Milwoke, getraut zu haben. Roger sei selbstverständlich bereit, alle Auslagen der Reise zu ersetzen und eine, ähm… ansehnliche Spende für die Kirche oder die religiösen Studien, die Hochwürden durchführte, zu geben. Der Geistliche war fassungslos. Er konnte sich an den Franzosen noch gut erinnern, denn es kam nicht alle Tage vor, daß man in Kriegszeiten eine Braut aus dem Hochadel mit einem Angehörigen einer verfeindeten Nation traute. Durch das Angebot, eine erhebliche Spende zu leisten, bewies der Franzose, daß er sein Herz auf dem rechten Fleck hatte. Ebenso Ehrfurcht vor der Kirche und ihrenVertretern. Er hatte nur mehr vage Vorstellungen von der damaligen Braut, doch als er sie jetzt am Arm des großgewachsenen, blondgelockten Gentleman in die Bibliothek von Sir Thomas Streighton kommen sah, erkannte er sie sofort wieder.
»Das ist sie
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