Hochzeit ins Glück (Fürstentraum) (German Edition)
den Schatten dankbar, den die alten Bäume ihm spendeten. Mehrere von Marcus’ Vorfahren waren in dem Hain zur letzten Ruhe gebettet worden, bis die ignoranten Behörden die alte Tradition nach dem Krieg kurzerhand gestoppt hatten. Als Kind war Marcus für einige Jahre schneller gewachsen als die Bäume, aber bei etwa 1,85m hatte er dann zur Erleichterung seiner Eltern damit aufgehört.
Hinter dem Hain schloß sich ein idyllischer kleiner Teich an, gespeist von einem Bach, der sich am Rand des Gutes entlang schlängelte. Hier hatten Marcus und sein Bruder Wilhelm in den Sommerferien oft gespielt, gezeltet und das Schwimmen gelernt. Als sie größer wurden, hatte der Vater einige Forellen in den Bach gesetzt und den Jungens das Fliegenfischen beigebracht. Die langen Sommernachmittage hier am Teich gehörten zu Marcus’ schönsten Jugenderinnerungen. Auch das Angeln war von den Behörden irgendwann unter einem Vorwand verboten worden, und es war wohl nur eine Frage der Zeit, daß das Schwimmen ebenfalls untersagt wurde.
Immerhin dürfen wir noch frei atmen auf unserem Land, dachte Marcus nicht ohne Bitterkeit. Noch.
Weitere zehn Minuten über einen gewundenen Feldweg führten Marcus schließlich auf einen kleinen, kaum bewaldeten Hügel. Der ‘schöne Berg’, der dem Geschlecht seinen Namen gegeben hatte, war mit gerade mal 35 Metern die höchste Erhebung des Besitzes. Von hier oben hatte Marcus einen herrlichen Ausblick über Schloß und Ländereien. Jenseits des Baches zu linker Hand lag die alte Gemarkung Wüstfeld, die den Schönbergs im 19. Jahrhundert zugeschlagen worden war. Das Land dort trug den Namen zurecht, es taugte nur zur Weide. Alle Versuche von Marcus’ Vorfahren, dort Landwirtschaft zu betreiben, waren kläglich gescheitert, also sparte er sich entsprechende Versuche. Zur Rechten wurde das Gut durch das silbergraue Band der Landstraße nach Moosach begrenzt. Im Zentrum erhob sich das noch von Schinkel entworfene Schloß mit seinen zwei ungleichen Türmen, deren kupferne Dacheindeckung in der Sommersonne wie geschmolzenes Gold schimmerte. Die Türme waren beflaggt, doch in der stillen Luft hingen die bunten Wimpel schlaff herunter. Das Schloß war für die Familie im Grunde viel zu groß, die Schönbergs bewohnten nur einen Flügel des riesigen Gebäudes, der andere wurde gelegentlich für Ausstellungen und Konzerte genutzt.
Manchmal wurde Marcus schwindlig, wenn er an die Verantwortung dachte, die seine Eltern ihm aufgeladen hatten. Der Fürst und die Fürstin von Schönberg-Wüstfeld waren beide schon jenseits der sechzig und hatten sich von der aktiven Verwaltung der Güter zurückgezogen. Wilhelm war zwar älter als er und nominell Erbprinz, doch war der Bruder als Vorstandsassistent bei einem Autohersteller vollständig ausgelastet. So blieb die Aufsicht über viele tausend Hektar Land, das Schloß und die Bediensteten letztlich bei ihm hängen. Das Studium der Volkswirtschaft hatte Marcus nur unzureichend auf diese Aufgabe vorbereitet und die erste Zeit war hart gewesen. Nach einem letzten Blick in die Runde und nach oben machte sich Marcus zurück auf den Weg zum Schloß.
Als er sich den Stallungen näherte, mußte Marcus’ an seinen alten Mentor an der Universität denken. Der gute Professor von Pohl hatte mit Spitzbart und altmodischem Anzug immer so ausgesehen, als wäre er direkt von den Dreharbeiten zur Feuerzangenbowle , gekommen. Marcus hatte in seiner Jugend großes Glück mit seinen Lehrern gehabt, und das war nicht ohne Folgen geblieben. Er liebte diesen Film. Nur um die Sache mit der alkoholischen Gärung machte er inzwischen lieber einen Bogen. Während des Studiums war es da zu einigen Vorfällen gekommen, die Marcus rückblickend ausgesprochen peinlich waren. Der Professor hatte die Vorlesungen über Angebot und Nachfrage gehalten, und Marcus überlegte, wie der alte Herr das Problem gelöst hätte, mit nur zwei Abfohlboxen drei Geburten zu bewältigen.
Im Stall wurde kräftig gehämmert und gesägt. In einer freien Ecke des Gebäudes wuchs ein merkwürdiges Gebilde heran, und Marcus erkannte, daß seine tüchtigen Mitarbeiter das Problem schon auf ihre Weise angegangen hatten. Er hatte einige Mühe, sich in dem Lärm bemerkbar zu machen.
“Sepp, was wird denn das, wenn’s fertig ist?”
“Na, wir bauen eine Abfohlbox, Chef. Die Liese ist doch morgen fällig, sagt der Doktor. Er hat sie sich vorhin noch einmal angeschaut.”
“Schon morgen, aha. Na schön, dann
Weitere Kostenlose Bücher