Hochzeit kommt vor dem Fall
Schreiberlingen. Jede Lösung ist recht, solange sie nur zusammenhält. Richten wir den Verdacht doch einmal gegen jemand andern. Wen nehmen wir? Wie wär’s mit Mrs. Ruddle? Sie ist eine streitbare alte Dame und kein rundherum sympathischer Charakter.«
»Warum in aller Welt sollte Mrs. Ruddle –«
»Frag nicht warum. Das Warum bringt dich nicht weiter. Mrs. Ruddle war hier, um sich einen Tropfen Öl zu borgen. Noakes schnüffelte ums Haus herum und hörte sie. Er rief sie ins Haus und stellte sie zur Rede. Er sagte, er hätte schon oft an ihrer Ehrlichkeit gezweifelt. Sie antwortete, er schulde ihr noch einen Wochenlohn. Ein Wort gab das andere. Er ging auf sie los. Sie schnappte sich den Schürhaken. Er lief weg, und sie warf ihm den Schürhaken nach und traf ihn am Hinterkopf. Wenn Leute in Wut geraten, genügt das als Warum. Es sei denn, du willst lieber davon ausgehen, daß Noakes ihr unsittliche Anträge gemacht und sie ihm dementsprechend eins übergezogen hat.«
»Witzbold!«
»Na, ich weiß nicht. Denk an den alten James Fleming und Jessie MacPherson. Ich selbst wäre auf Mrs. Ruddle nicht sonderlich erpicht, aber ich stelle ja auch hohe Ansprüche. Also gut. Mrs. Ruddle gibt Noakes eins über den Schädel und – Moment! Das paßt wunderbar. Sie läuft furchtbar aufgeregt zu ihrem Cottage und ruft: ›Bert! Bert! Ich habe Mr. Noakes umgebracht!‹ Bert sagt: ›Ach, Quatsch!‹ und geht mit ihr zum Haus zurück, gerade rechtzeitig, um Noakes die Kellertreppe hinunterstürzen zu sehen. Bert geht hinunter –«
»Ohne Fußabdrücke zu hinterlassen?«
»Er hatte seine Stiefel schon ausgezogen und war in Pantoffeln hinübergerannt – es ist ja alles Wiese zwischen dem Haus und dem Cottage. Bert sagt: ›Jetzt ist er also wirklich tot.‹ Daraufhin geht Mrs. Ruddle eine Leiter holen, während Bert die Tür zuschließt und dem Toten den Schlüssel wieder in die Tasche steckt. Er geht nach oben, steigt durch die Luke aufs Dach und über die Leiter hinunter, die Mrs. Ruddle hält.«
»Meinst du das ernst, Peter?«
»Ich kann es nicht ernst meinen, bevor ich mir das Dach angesehen habe. Aber eines fällt ihnen hinterher noch ein – Bert hat die Kellertür offen gelassen – in der Hoffnung, daß es so aussieht, als ob Mr. Noakes verunglückt wäre. Aber als wir dann ankommen, geraten sie ein bißchen in Verlegenheit. Wir sind nicht die Leute, denen die Entdeckung der Leiche zugedacht war. Das sollte Miss Twittertons Aufgabe sein. Daß sie leicht ins Bockshorn zu jagen ist, wissen sie, aber über uns wissen Sie nichts. Als erstes hat Mrs. Ruddle es nicht gerade eilig, uns hier überhaupt hineinzulassen – aber als wir darauf bestehen, den Schlüssel zu besorgen und ins Haus zu ziehen, macht sie das Beste daraus. Aber – sie ruft Bert zu: ›Mach die Kellertür zu, Bert! Es zieht so kalt herauf.‹ Sie hoffte, die Sache damit noch ein bißchen hinauszuzögern, um sich erst einmal ein Bild von uns machen zu können. Übrigens haben wir nur Mrs. Ruddles Wort dafür, daß Noakes gerade um diese Zeit gestorben sein soll, oder daß er nicht schon zu Bett gegangen war oder sonst irgendwas. Das Ganze könnte sich später in der Nacht abgespielt haben, oder besser noch, als sie andern Morgens herkam; dann wäre er nämlich angezogen gewesen, und sie hätte nur noch sein Bett zu machen brauchen.«
»Was? Am Morgen? Auch die Geschichte auf dem Dach? Stell dir vor, da wäre jemand vorbeigekommen!«
»Dann hätte Bert auf der Leiter gestanden und die Dachrinne gesäubert. Es ist nicht verboten, die Dachrinne zu säubern.«
»Dachrinne? … Woran erinnert –? … Rinne – rinnen – herunterrinnendes Wachs: die Kerzen! Beweisen die nicht, daß es nachts passiert sein muß?«
»Sie beweisen es nicht, sie legen es nur nahe. Als erstes wissen wir schon einmal nicht, wie lang die Kerzen waren. Noakes könnte dagesessen und Radio gehört haben, bis sie auf den letzten Stumpf hinuntergebrannt waren. Wirtschaft, Horatio, Wirtschaft! Es war Mrs. Ruddles, die gesagt hat, das Radio sei nicht angewesen – und sie hat die Zeit auf zwischen neun und halb zehn gelegt – kurz nachdem Sellon und Noakes ihren Streit hatten. Es sieht Mrs. Ruddle nicht unbedingt ähnlich, fortzugehen, bevor sie den Streit zu Ende gehört hat, wenn man sich’s überlegt. Wenn man die Sache voreingenommen sieht, hat all ihr Tun und Lassen etwas Eigenartiges. Und sie hatte Sellon auf dem Kieker und hat ihm schön eins
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