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Hochzeit kommt vor dem Fall

Hochzeit kommt vor dem Fall

Titel: Hochzeit kommt vor dem Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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gestattest, ist das eine Unterscheidung, die Leute in deinem Beruf gern übersehen. Sie verwechseln moralische Gewißheit mit rechtskräftigem Beweis.«
    »Ich schmeiße dir gleich was nach … sag mal, hältst du es für möglich, daß etwas nach Noakes geworfen wurde? Durchs Fenster? Gemeinheit … jetzt haben wir zwei Theorien auf einmal! Halt, warte! … Sellon bringt Noakes dazu, das Fenster zu öffnen, dann versucht er hineinzuklettern. Du bist auf meinen Einwand mit den engen Rahmen noch nicht eingegangen.«
    »Ich denke schon, daß ich durchkäme; aber ich bin natürlich etwas schmaler in den Schultern als Sellon. Nach dem Prinzip, daß man überall, wo man mit dem Kopf durchkommt, auch den Körper durchbekommt, würde ich jedoch sagen, daß er’s schaffen könnte. Nicht sehr schnell, und nicht ohne Noakes reichlich über seine Absichten vorzuwarnen.«
    »Daher die Idee mit dem Werfen. Angenommen, Sellon wollte durchs Fenster hinein, Noakes bekam es mit der Angst zu tun und wollte zur Tür. Dann hat sich Sellon irgend etwas geschnappt …«
    »Was?«
    »Stimmt auch wieder. Er wird kaum einen Stein oder sonst etwas zu diesem Zweck mitgebracht haben. Vielleicht hätte er einen im Garten auflesen können, bevor er zum Fenster zurückging. Oder – ich weiß! Dieser Briefbeschwerer auf der Fensterbank. Den könnte er gepackt und dem flüchtenden Noakes nachgeworfen haben. Ginge das? Ich kenne mich mit Wurfparabeln und dergleichen nicht so gut aus.«
    »Es ginge sehr wahrscheinlich. Ich müßte es mir mal ansehen.«
    »Na gut. Ach ja, und dann brauchte er nur noch fertig hineinzuklettern, den Briefbeschwerer aufzuheben, ihn an seinen Platz zurückzulegen und wieder durchs Fenster hinauszusteigen.«
    »Wirklich?«
    »Natürlich nicht. Es war ja von innen verschlossen. Nein. Er hat das Fenster von innen geschlossen, Noakes den Schlüssel aus der Tasche genommen, die Haustür aufgeschlossen, den Schlüssel zurückgetan und – na ja, und dann hätte er hinausgehen und die Tür unverschlossen lassen müssen. Und als Noakes wieder zu sich kam, hat er die Haustür freundlicherweise hinter ihm abgeschlossen. Diese Möglichkeit müssen wir sowieso einräumen, egal wer der Mörder ist.«
    »Das ist wirklich genial, Harriet. Sehr schwer, einen Fehler darin zu finden. Und ich will dir noch etwas sagen. Sellon war der einzige Mensch, der relativ gefahrlos die Tür unverschlossen lassen konnte. Es wäre sogar von Vorteil für ihn gewesen.«
    »Jetzt bist du mir voraus. Warum?«
    »Nun, weil er der Dorfpolizist ist. Überleg mal, was danach geschieht. Mitten in der Nacht setzt er es sich plötzlich in den Kopf, noch einmal die Runde zu machen. Dabei wurde, wie er es in seinem Bericht formulieren würde, seine Aufmerksamkeit dadurch auf das Haus gelenkt, daß im Wohnzimmer noch die Kerzen brannten. Deshalb hat er sie nämlich brennen lassen, was ein Mörder sonst wahrscheinlich nicht täte. Er probiert die Tür und findet sie offen. Er geht hinein, sieht, daß alles so aussieht, wie es soll, und rennt hinaus, um die Nachbarn zu alarmieren und ihnen zu sagen, irgendein Landstreicher habe Mr. Noakes eins über den Schädel gegeben. Es ist ärgerlich, wenn man der letzte ist, der den Ermordeten lebend gesehen hat, aber es ist von unschätzbarem Vorteil, der erste zu sein, der die Leiche entdeckt. Er muß einen bösen Schrecken bekommen haben, als er die Tür dann doch verschlossen fand.«
    »Ja. Das wird ihn dann wohl bewogen haben, diesen Plan aufzugeben. Vor allem wenn er einen Blick durchs Fenster geworfen und gesehen hat, daß Noakes nicht mehr da lag, wo er ihn hatte liegen lassen. Die Vorhänge waren doch nicht zugezogen, nicht? Nein – ich weiß es noch – sie waren offen, als wir hier ankamen. Was muß er da gedacht haben?«
    »Er wird gedacht haben, Noakes ist doch nicht tot, und dann wird er den Morgen abgewartet und sich gefragt haben, wann – und wie –«
    »Der arme Kerl! Und als dann gar nichts passierte und auch Noakes nicht aufkreuzte – also, das muß ihn ja schier um den Verstand gebracht haben.«
    »Wenn es so zugegangen ist.«
    »Und dann kamen wir und – er wird sich wohl den ganzen Morgen hier herumgetrieben und darauf gewartet haben, das Schlimmste zu hören. Er war ja gleich zur Stelle, als die Leiche gefunden wurde, nicht? … Weißt du, Peter, das klingt alles ziemlich grausig.«
    »Es ist ja nur eine Theorie. Bisher haben wir noch kein Wort davon bewiesen. Das ist das schlimme an euch

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