Hochzeit kommt vor dem Fall
worden wäre. Ich nehme an, daß es mit Batterien läuft. Nichts leichter, als einen Kontakt zu lockern, so daß es nach Zufall aussieht.«
»So etwas hätte Noakes aber mit Leichtigkeit selbst in Ordnung bringen können.«
»Richtig. Soll ich mal runtergehen und sehen, ob es jetzt funktioniert oder nicht?«
»Frag Bunter. Der weiß es sicher.«
Harriet rief die Treppe hinunter nach Bunter und kehrte mit der Mitteilung zurück:
»Es ist in bester Ordnung. Bunter hat es gestern abend ausprobiert, als wir fort waren.«
»Aha! Dann beweist das so oder so nichts. Noakes könnte versucht haben, es einzuschalten, hat den Fehler erst gefunden, nachdem die Nachrichten schon vorbei waren, hat ihn dann behoben und es dabei belassen.«
»Das könnte er in jedem Fall getan haben.«
»Und damit ist der Zeitplan wieder hinfällig.«
»Sehr entmutigend.«
»Ja, nicht? Damit bliebe als letzte Möglichkeit ein Mordanschlag durch den Pfarrer, verübt zwischen halb elf und elf.«
»Warum sollte denn der –? Entschuldigung! Ich frage immerzu nach dem Warum.«
»In dieser Familie herrscht eine schreckliche Veranlagung zur Neugier auf beiden Seiten. Du solltest dir das mit den Kindern doch noch einmal überlegen, Harriet. Das werden schon in der Wiege unerträgliche Plagegeister sein.«
»Und wie! Fürchterlich. Trotzdem finde ich es netter, ein plausibles Motiv zu haben. Mord aus Spaß an der Freude verstößt gegen sämtliche Regeln des Kriminalromans.«
»Meinetwegen. Also schön, Mr. Goodacre soll ein Motiv haben. Ich werde mir sofort eines einfallen lassen. Er kommt etwa um 22.35 Uhr vom Pfarrhaus herüber und klopft an die Tür. Noakes läßt ihn ein – warum sollte er den Pfarrer nicht einlassen, der ihm immer als ein sanftmütiger, freundlicher Mensch vorgekommen ist? Aber der Pfarrer schleppt unter seiner strengen Soutane einen jener fürchterlichen Komplexe mit sich herum, unter denen Geistliche in den Augen unserer realistischen Autoren so häufig leiden. Dasselbe gilt natürlich für Noakes. Der Pfarrer wirft unter dem Vorwand, für die Keuschheit zu streiten, Noakes vor, die Dorfjungfer zu verderben, die er im Unterbewußtsein nämlich selbst begehrt.«
»Natürlich«, stimmte Harriet fröhlich ein. »Wie dumm von mir, daß ich darauf nicht gekommen bin. Was könnte mehr auf der Hand liegen? Zwischen den beiden entwickelt sich so ein richtig häßlicher Altmännerstreit – und in einer Erleuchtung bildet der Pfarrer sich ein, der Hammer Gottes zu sein, wie in der Geschichte von Chesterton. Er schlägt Noakes mit dem Schürhaken nieder und geht von dannen. Noakes kommt zu sich, und von da an geht es weiter wie gehabt. Das erklärt wunderbar, warum das Geld bei der Leiche nicht angerührt wurde; das wollte Mr. Goodacre natürlich nicht.«
»Genau. Und daß der Pfarrer sich so nett und unschuldig gibt, liegt daran, daß die Erleuchtung abgeklungen ist und er die ganze Geschichte einfach vergessen hat.«
»Gespaltene Persönlichkeit. Ich glaube, das ist bisher unsere beste Leistung. Jetzt müssen wir nur noch der Dorfjungfer einen Namen geben.«
»Die braucht es nicht einmal zu sein. Der Pfarrer könnte auch eine krankhafte Schwäche für irgend etwas anderes haben – eine passion à la Plato für die Aspidistra, oder ein seltsam begehrliches Verlangen nach dem Kaktus. Er ist ja ein großer Gärtner vor dem Herrn, und diese Liebe zu Pflanzen und Mineralen kann sehr düstere Formen annehmen. Denk an diesen Mann in der Geschichte von Eden Phillpotts, der sein Herz an eine eiserne Ananas hängt und so einen Kerl damit erschlägt. Ob du’s glaubst oder nicht, der Pfarrer hat sich hier mit finsteren Absichten hereingeschlichen, und als Noakes vor ihm auf die Knie fiel und rief: ›Nehmen Sie mein Leben, aber schonen Sie die Ehre meines Kaktus!‹ hat er mit dem Aspidistratopf zugeschlagen –«
»Bei allem Spaß, Peter – der arme Alte wurde wirklich umgebracht.«
»Ich weiß, mein Herz. Aber solange wir nicht wissen, wie, ist eine Theorie so phantasievoll wie die andere. In dieser elenden Welt muß man entweder lachen oder sich zu Tode grämen. Ich werde krank bei dem Gedanken, daß ich am Abend unserer Ankunft nicht in den Keller gegangen bin. Da hätten wir noch etwas anfangen können, wenn das Haus so geblieben wäre, wie es war, ohne daß die Ruddles und Puffetts und Wimseys überall herumtrampelten und alles durcheinanderbrachten. Mein Gott! So einen Murks wie in dieser Nacht habe ich schon lange
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