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Hochzeit kommt vor dem Fall

Hochzeit kommt vor dem Fall

Titel: Hochzeit kommt vor dem Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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einmal (mit einem Dogmatismus, der einem jüngeren Mann besser angestanden hätte) zu seinem Onkel gesagt hatte: »Natürlich ist es möglich, ebenso mit dem Kopf zu lieben wie mit dem Herzen.«
    Mr. Delagardie hatte trocken erwidert: »Zweifellos; solange es nur nicht damit endet, daß du mit den Eingeweiden statt mit dem Gehirn denkst.« Und er fühlte, daß ihm genau dies widerfuhr. Sowie er zu denken versuchte, schien eine sanfte, aber unerbittliche Faust sich um seine Gedärme zu schließen. Er war an dem einen Punkt verwundbar geworden, an dem er sich immer, bis jetzt, unangreifbar sicher gefühlt hatte. Das gelöste Gesicht seiner Frau sagte ihm, daß sie auf irgendeine Weise alle die Zuversicht gewonnen hatte, die ihm abhanden gekommen war. Vor ihrer Heirat hatte sie seines Wissens nie so ausgesehen.
    »Harriet«, sagte er plötzlich, »was hältst du vom Leben? Ich meine, findest du es ingesamt gut? Lebenswert?«
    (Er konnte sich ja zumindest darauf verlassen, daß sie nicht schelmisch zurückfragte: »Wie kannst du einen in den Flitterwochen so etwas fragen?«)
    Sie ging so prompt darauf ein, als ob er ihr die Gelegenheit geboten hätte, endlich etwas zu sagen, was sie schon lange einmal hatte sagen wollen.
    »Ja. Ich war mir immer vollkommen sicher, daß es gut ist – wenn man nur je damit zu Rande kommt. Mir war bisher immer so ziemlich alles, was ich erlebte, zutiefst zuwider, aber ich wußte immer, daß eben nur gewisse Dinge verkehrt waren, nicht gleich das Ganze. Selbst wenn mir am elendesten zumute war, habe ich nie daran gedacht, mich umzubringen oder sterben zu wollen – immer nur daran, irgendwie aus diesem Schlamassel herauszukommen und von vorn anzufangen.«
    »Das ist wirklich bewundernswert. Mit mir war es immer umgekehrt. Ich kann praktisch alles genießen, was des Weges kommt – solange es geschieht. Nur muß ich eben dafür sorgen, daß immer etwas geschieht, denn wenn ich einmal stehenbleibe, erscheint mir alles nur noch widerwärtig, und es wäre mir völlig egal, wenn ich morgen draufgehen müßte. Zumindest hätte ich das immer gesagt. Aber jetzt – ich weiß nicht. Allmählich fange ich an zu glauben, daß am Leben vielleicht doch etwas dran ist. Harriet – wenn ich nur irgendwie die Dinge für dich geradebiegen könnte … dieser entsetzliche Schlamassel hier war ja schon mal ein guter Anfang, nicht? Aber wenn wir das erst hinter uns haben, würde ich so gern alles daransetzen … Na ja, du siehst, es geht schon wieder von vorn los.«
    »Aber ich versuche dir das doch die ganze Zeit zu sagen – daß es eigentlich so sein müßte, aber nicht ist. Irgendwie sind die Dinge schon geradegebogen. Ich wußte immer, daß sie es eines Tages sein würden, man mußte sich nur lange genug gedulden und auf ein Wunder warten.«
    »Ehrlich, Harriet?«
    »Nun, jedenfalls erscheint es einem wie ein Wunder, wenn man sich plötzlich auf etwas freuen kann – wenn man alle vor einem liegenden Minuten auf einen zukommen und etwas Wunderschönes mitbringen sieht – anstatt sich nur immer wieder zu sagen: Na ja, das hat jetzt mal nicht weh getan, und der nächste Augenblick ist vielleicht auch erträglich, und wenn jetzt nichts gar zu Abscheuliches …«
    »So schlimm?«
    »Nein, eigentlich nicht, weil man sich daran gewöhnte – an diesen Zustand, immerzu auf etwas gefaßt zu sein. Aber wenn man das plötzlich nicht mehr muß, ist es schon ein Unterschied – ich kann dir gar nicht sagen, was für einer. Du – du – du … Ach, zum Kuckuck mit dir, Peter, du weißt genau, daß du mir das Gefühl gibst, im Himmel zu sein; wozu muß ich noch groß versuchen, deine Gefühle zu schonen?«
    »Ich weiß es nicht und kann es auch nicht glauben, aber komm mal her, dann will ich’s versuchen. So ist es besser. Sein Kinn war auf ihr Haupt gepreßt, als wiederkam vom Meer das Schwert. Nein, du bist nicht zu schwer – du brauchst mich nicht gleich zu beleidigen. Hör zu, mein Schatz, wenn das wahr oder nur schon halbwahr ist, fange ich an, mich vor dem Tod zu fürchten. In meinem Alter ist das ziemlich beunruhigend. Schon gut – du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich liebe das Neue.«
    Es hatten schon andere Frauen in seinen Armen das Paradies gefunden – und es ihm auch gesagt, wortreich und emphatisch. Er hatte solche Versicherungen heiteren Gemüts entgegengenommen, weil es ihm nicht wirklich wichtig war, ob sie das Paradies oder nur die Champs-Elysées fanden, solange es eben nur ein

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