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Hochzeit kommt vor dem Fall

Hochzeit kommt vor dem Fall

Titel: Hochzeit kommt vor dem Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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der in einem Taxi fuhr, und wurden durch seinen erstaunten und bewundernden Blick belohnt. Nachdem sie den Polizeiposten mit sittsamen dreißig Meilen pro Stunde passiert hatten, wandten sie sich nach Westen aus dem Dorf hinaus und schlugen Nebenstraßen ein. Harriet, die sich nicht mit Sicherheit erinnern konnte, ob sie seit ihrer Abfahrt in Paggleham überhaupt einmal Luft geholt hatte, füllte jetzt die Lungen und bemerkte mit bemüht ruhiger Stimme, daß es ein herrlicher Tag für eine Spazierfahrt sei.
    »Ja, nicht? Ist dir diese Straße recht?«
    »Sie ist großartig!« sagte Harriet mit Inbrunst. » Lauter scharfe Kurven!«
    Er lachte.
    » Prière de ne pas brutaliser la machine. Ich sollte es besser wissen – weiß der Himmel, es gibt genug Dinge, vor denen ich selbst Angst habe. Ich muß doch etwas von meinem Vater in mir haben. Er war so einer von der alten Schule – entweder du sprangst von selbst ins Wasser, oder du wurdest kurzerhand hineingeworfen. Das klappte – gewissermaßen. Man lernte, so zu tun, als ob man kein Feigling wäre, und das Wechselgeld bekam man in schlechten Träumen heraus.«
    »Bisher merkt man dir davon nichts an.«
    »Irgendwann dieser Tage wirst du mir wohl dahinterkommen. Ich habe nun einmal zufällig vor Geschwindigkeit keine Angst – darum gebe ich gern damit an. Aber ich gebe dir mein Wort, daß ich es nicht noch einmal tun werde – auf dieser Fahrt.«
    Er ließ die Tachometernadel auf Fünfundzwanzig zurückgehen, und sie bummelten schweigend und ohne bestimmtes Ziel über Feldwege dahin. Um die Nachmittagsmitte fanden sie sich in einem Dorf etwa dreißig Meilen von zu Hause wieder – einem alten Dorf mit einer neuen Kirche und einem Weiher neben einer gepflegten Grünanlage, alles zusammengedrängt am Fuß eines kleinen Hügels. Gegenüber der Kirche schien ein schmaler und ziemlich schlechter Weg den Hügel hinaufzuführen.
    »Fahren wir da mal hinauf«, sagte Harriet, um Anweisungen gebeten. »Sieht aus, als ob wir von da oben einen schönen Ausblick hätten.«
    Der Wagen bog in den Weg ein und schlängelte sich in lässiger Eleganz zwischen niedrigen Hecken hindurch, die schon der Herbst berührt hatte, nach oben. Links unter ihnen lag ausgebreitet die hübsche englische Landschaft, grün und rostrot von Feldern und Wäldern, die sich sanft zu einem Bach hinuntersenkten, der friedlich in der Oktobersonne glitzerte. Da und dort schimmerten Stoppelfelder blaß zwischen dem Grün der Wiesen; oder der blaue Rauch aus den roten Schornsteinen eines Bauernhofs wehte über die Bäume dahin. In einer Wegbiegung sahen sie rechts von sich eine verfallene Kirche, von der nur noch das Eingangsportal und ein Teil des Chorbogens standen. Das übrige Mauerwerk war abgetragen und die Steine zweifellos zum Bau der neuen Kirche in der Dorfmitte verwendet worden; aber die verlassenen Gräber mit ihren alten Steinen waren in gepflegtem Zustand erhalten und nur kurz hinter dem offenen Eingangstor eingeebnet worden, um Platz für eine Art Grünanlage mit Blumenbeeten, einer Sonnenuhr und einer Bank zu machen, auf der Besucher sich ausruhen und den weiten Ausblick genießen konnten. Peter stieß einen leisen Ruf aus und ließ den Wagen auf dem Grasbankett ausrollen.
    »Ich will meinen letzten Heller verlieren«, sagte er, »wenn das nicht einer von unsern Kaminaufsätzen ist!«
    »Ich glaube, du hast recht«, sagte Harriet und starrte die Sonnenuhr an, deren Säule in der Tat eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit einem Kaminaufsatz im Tudorstil hatte. Sie folgte Peter aus dem Wagen und durchs Tor. Aus der Nähe präsentierte die Sonnenuhr sich als ein Mischmasch: Zifferblatt und Zeiger waren antik; die Grundplatte bildete ein Mühlstein; und wenn man kräftig gegen die Säule klopfte, klang sie hohl.
    »Ich will meinen Aufsatz wiederhaben«, erklärte Peter, »und wenn es mein Leben kostet. Wir werden dem Dorf dafür eine hübsche Steinsäule spendieren. Jedem Hans seine Liese, jedem Reiter sein Pferd. Das wird eine neue Sportart: Wir werden unsere verschacherten Kaminaufsätze von einem bis zum andern Ende des Landes suchen wie die römischen Legionen die verlorenen Adler des Varus. Ich glaube nämlich, mit ihnen ist das Glück aus diesem Haus gezogen, und unsere Aufgabe ist es jetzt, es zurückzuholen.«
    »Das wird spaßig. Ich habe heute morgen nachgezählt: Es fehlen nur vier. Der hier sieht genauso aus wie die drei, die noch übrig sind.«
    »Ich bin sicher, daß es unserer ist.

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