Hochzeit kommt vor dem Fall
erfreulicher Ort war. Jetzt aber war er so sehr verlegen und verwirrt, als ob ihm jemand den Besitz einer Seele zugesprochen hätte. Streng logisch gesehen hätte er natürlich zugeben müssen, daß er ebensosehr das Recht auf eine Seele hatte wie jeder andere, aber das hämische Gleichnis vom Kamel und dem Nadelöhr genügte, um ihm diesen Anspruch als dumme Anmaßung in der Kehle steckenbleiben zu lassen. Solcher war nicht das Himmelreich. Sein waren die irdischen Reiche, und sie hatten ihm zu genügen – obwohl es ja heutzutage als geschmackvoller galt, so zu tun, als ob man sie weder begehrte noch verdiente. Aber sonderbare Bedenken erfüllten ihn, als ob er sich an Dingen zu schaffen gemacht hätte, die für ihn zu hoch waren; als ob er mit Haut und Haaren durch eine gewaltige Mangel gedreht würde, die irgend etwas aus ihm herausquetschte, was bis dahin gänzlich undifferenziert gewesen und auch jetzt noch über die Maßen verschwommen und ungreifbar war. Vagula, blandula, dachte er – angenehm unberechenbar und ganz gewiß unbedeutend – es konnte sich nicht gut zu etwas entwickeln, mit dem man rechnen mußte. Er wischte den Gedanken fort wie eine lästige Motte und faßte dafür ganz körperlich seine Frau fester, wie um sich an die fühlbare Gegenwart des Fleisches zu erinnern. Sie antwortete mit einem zufriedenen kleinen Ton, der wie ein Schnauben klang – es war ein so komischer Ton, daß er gleichsam den Siegelstein wegzuheben und einen Springbrunnen des Lachens tief in seinem Innern zu befreien schien. Dieser kam blubbernd hochgeschossen, sehr in Eile, das Sonnenlicht zu erreichen, so daß all sein Blut mittanzte und seine Lungen vom plötzlichen Schwall dieses Quells der Freude schier erdrückt wurden. Er fühlte sich albern und allmächtig zugleich. Ihm war zum Jubeln zumute. Am liebsten hätte er laut geschrien.
In Wirklichkeit blieb er reglos und stumm. Er saß ganz still da und ließ die geheimnisvolle Verzückung gewähren. Was es auch immer war, es mußte etwas sein, was plötzlich befreit worden und von seiner neugewonnenen Freiheit ganz berauscht war. Es benahm sich jedenfalls sehr albern, und seine Albernheit verzauberte ihn.
»Peter?«
»Madame?«
»Habe ich eigentlich Geld?«
Die lächerliche Banalität dieser Frage ließ die Fontäne himmelhoch schießen.
»Mein Dummchen, natürlich, du hast. Wir haben einen ganzen Vormittag deswegen Dokumente unterschrieben.«
»Ja, das weiß ich. Aber wo ist es? Ich meine, kann ich einfach einen Scheck darauf ausstellen? Mir ist nämlich eben eingefallen, daß ich meiner Sekretärin noch gar nicht ihr Gehalt bezahlt habe, und im Moment besitze ich keinen Penny, der nicht dir gehört.«
»Er gehört nicht mir, sondern dir. Murbles hat dir alles erklärt, aber ich nehme an, du hast gar nicht zugehört. Na ja, ich weiß schon, was du meinst, und darum: ja, es ist da, und ja, du kannst sofort einen Scheck darauf ausstellen. Woher dieser Zustand plötzlicher Verarmung?«
»Weil ich nicht im grauen Alpaka heiraten wollte, Mr. Rochester. Ich mußte den letzten Penny ausgeben, um dir Ehre zu machen, und mehr. Daher habe ich die arme Miss Bracey im Elend zurückgelassen und mir in letzter Minute noch zehn Shilling von ihr geborgt, damit ich genug Benzin hatte, um nach Oxford zu kommen. Ja, lach du nur! Ich habe meinen Stolz getötet – aber, wirklich, Peter – er hatte so einen schönen Tod!«
»Mit vollen Opferriten. Harriet, ich glaube, du liebst mich wirklich. So etwas unaussprechlich und göttlich Richtiges kannst du nicht rein zufällig getan haben. Quelle folie – mais quel geste! «
»Ich habe mir schon gedacht, daß dich das amüsieren würde. Darum habe ich es dir auch gesagt, anstatt mir von Bunter eine Briefmarke zu leihen und mich in einem förmlichen Brief bei der Bank zu erkundigen.«
»Das heißt, daß du mir meinen Sieg nicht verübelst? Großherzige Frau! Und wenn wir schon dabei sind, sag mir noch etwas anderes. Wie hast du es bei all den andern Ausgaben in drei Teufels Namen geschafft, mir auch noch diese Donne-Handschrift zu schenken?«
»Durch Sondereinsatz. Drei Kurzgeschichten à vierzig Pfund für das Thrill Magazine .«
»Was? Die Geschichte von dem jungen Mann, der seine Tante mit einem Bumerang ermordet hat?«
»Ja. Und der unangenehme Börsenmakler, den sie in der Diele des Pfarrhauses mit eingeschlagenem Schädel gefunden haben, wie den alten Noakes – O Gott! Den armen Mr. Noakes hatte ich schon ganz
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