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Hochzeit kommt vor dem Fall

Hochzeit kommt vor dem Fall

Titel: Hochzeit kommt vor dem Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Gefährte in hundert Kriminalfällen – an ihn war der Anruf ergangen! Er hüstelte. »Wenn ich einen Vorschlag machen dürfte, wäre es vielleicht ganz nützlich, den Unterschied in der Länge der Ketten festzustellen, bevor wir fortfahren.«
    »Sehr richtig, Bunter. Klar. Holen Sie die Leiter.«
    Harriet sah Bunter zu, wie er auf die Trittleiter stieg und die Messingkette annahm, die der Pfarrer ihm mechanisch reichte. Aber es war Peter, der den Schritt auf der Treppe hörte. Noch ehe Miss Twitterton im Zimmer war, hatte er es halb durchquert, und als sie die Tür zu hatte und sich umdrehte, stand er neben ihr.
    »So, das wäre erledigt«, sagte Miss Twitterton strahlend. »Oh, Mr. Goodacre – ich hatte nicht gedacht, daß ich Sie noch antreffen würde. Es ist so schön, sich vorzustellen, daß Sie Onkels Williams Kaktus bekommen sollen.«
    »Bunter besorgt das gerade«, sagte Peter. Er stand zwischen ihr und der Trittleiter, und seine Einsfünfundsiebzig boten eine ausreichende Sichtblende für ihre Einszweiundvierzig. »Miss Twitterton, wenn Sie wirklich fertig sind – könnten Sie mir dann vielleicht einen Gefallen tun?«
    »Aber natürlich – wenn ich kann!«
    »Ich glaube, ich habe meinen Füllfederhalter irgendwo im Schlafzimmer liegenlassen, und ich habe ein bißchen Angst, einer von diesen Kerlen könnte darauf treten. Wenn ich Ihnen diese Mühe zumuten –«
    »Aber mit Vergnügen!« rief Miss Twitterton, hocherfreut, daß die Aufgabe ihre Kräfte nicht überstieg. »Ich laufe sofort nach oben und suche ihn. Ich sage immer, daß ich im Finden von Sachen ganz erstaunlich gut bin.«
    »Das ist ungemein lieb von Ihnen«, sagte Peter. Er lotste sie behutsam zur Tür, öffnete diese und schloß sie wieder hinter ihr. Harriet sagte nichts. Sie wußte, wo Peters Füllfederhalter war, denn sie hatte ihn in der Brusttasche seines Jacketts gesehen, als sie darin nach Zigaretten suchte. Sie fühlte ein kaltes Gewicht in der Magengrube. Bunter, der geschwind von der Leiter gestiegen war, stand mit der Kette in der Hand da, als ob er sich bereit halte, auf Kommando einen Schurken damit in Fesseln zu schlagen. Peter kam eilenden Schrittes zurück.
    »Zehn Zentimeter Differenz, Mylord.«
    Sein Herr nickte.
    »Bunter – nein, Sie brauche ich.« Er sah Harriet und sprach sie an, als ob sie seine Dienerin wäre. »Du, paß mal auf, du gehst nach oben und schließt die Tür oberhalb der Hintertreppe ab. Sieh zu, daß sie dich möglichst nicht dabei hört. Hier sind die Hausschlüssel. Schließe die Türen vorn und hinten zu. Sorge dafür, daß Mrs. Ruddle und Puffett und Crutchley alle im Haus sind. Wenn jemand etwas sagt – es sind meine Anweisungen. Bring dann die Schlüssel wieder her – verstanden? … Bunter, nehmen Sie die Trittleiter und suchen Sie, ob Sie an dieser Seite des Kamins irgend etwas wie einen Haken oder Nagel in der Wand oder Decke finden.«
    Harriet war schon aus dem Zimmer und schlich auf Zehenspitzen über den Flur. Stimmen in der Küche und ein gedämpftes Klappern sagten ihr, daß ein Mittagessen in Vorbereitung war – und wahrscheinlich schon gegessen wurde. Durch die offene Tür sah sie Crutchleys Hinterkopf – er führte gerade einen Krug zum Mund. Dahinter sah man Mr. Puffett mit vollem Mund langsam und kräftig kauen. Mrs. Ruddle sah sie nicht, dafür ertönte im nächsten Augenblick ihre Stimme aus der Spülküche:
    »… da seh ich doch, daß es dieser Joe Sellon ist; ich seh ihn so deutlich wie die Nase in seinem Gesicht, und die ist ja weiß Gott groß genug, aber bitte! … er steht zu sehr bei der Liebsten unterm Pantoffel …« Jemand lachte. Harriet glaubte, daß es George war. Sie huschte an der Küche vorbei, rannte die Lokustreppe hinauf, schloß im Vorbeigehen die Hintertür zu und fand sich schließlich keuchend – wenn auch mehr vor Aufregung denn aus Eile – vor ihrer eigenen Zimmertür wieder. Der Schlüssel steckte innen. Leise drehte sie den Knauf und schlich hinein. Drinnen befanden sich nur noch ihre eigenen Kisten nebst den abholbereiten Teilen des ehemaligen Betts. Im Zimmer nebenan hörte sie leise huschende Schritte und dann Miss Twittertons aufgeregtes Tschilpen (wie das Weiße Kaninchen, dachte Harriet): »O Gott, o Gott, wo hat er ihn nur verloren?« (Oder hieß das: »Ich bin verloren«?) Für einen Sekundenbruchteil stand Harriet mit der Hand am Schlüssel da. Wenn sie nun hineinginge und sagte: »Miss Twitterton, er weiß, wer Ihren Onkel getötet

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