Hochzeit kommt vor dem Fall
kann.«
Nach und nach ließen sie das Lichtermeer Londons hinter sich. Der Wagen wurde schneller. Peter warf einen Blick über die Schulter.
»Wecken wir auch das Baby nicht auf, Bunter?«
»Die Erschütterungen sind gegenwärtig nur geringfügig, Mylord.«
Das führte die Erinnerung weiter zurück.
»Diese Kinderfrage, Harriet. Ist sie dir sehr wichtig?«
»Hm, ich weiß nicht. Jedenfalls heirate ich dich nicht, um welche zu haben, falls du das meinst.«
»Dem Himmel sei Dank! Der Mann sieht sich nicht gern in dieser landwirtschaftlichen Funktion und läßt sich da auch nicht gern hineindrängen. Dir liegt nicht viel an Kindern?«
»Nicht an Kindern allgemein. Aber ich halte es gerade noch für denkbar, daß ich mir eines Tages wünschen könnte –«
»Dein eigenes zu haben?«
»Nein, deins.«
»Oh!« machte er, überraschend verlegen. »So so. Das ist ja ziemlich – hast du dir je Gedanken darüber gemacht, was ich für einen Vater abgeben würde?«
»Das weiß ich ziemlich genau. Zwanglos, nachsichtig, zaudernd und liebenswert.«
»Zaudernd aber nur, weil ich mir selbst zutiefst mißtraue, Harriet. Mit unserer Familie geht es schon ziemlich lange bergab. Sieh dir Saint-George an, so völlig ohne Charakter, und seine Schwester, die gar kein Leben in sich hat – ganz zu schweigen von einem Vetter dritten Grades, der in der Erbfolge gleich nach Saint-George und mir kommt und vollkommen verblödet ist. Und wenn du nun erst mich betrachtest – nur Nerven und Nase, wie Onkel Paul sagt –«
»Da fällt mir etwas ein, was Clare Clairemont einmal zu Byron gesagt hat: ›Ich werde mich stets der Sanftheit Eures Betragens und der wilden Originalität Eures Antlitzes erinnern.‹«
»Nein, Harriet – ich meine es ernst.«
»Dein Bruder hat seine Kusine geheiratet. Deine Schwester hat einen Bürgerlichen geheiratet, und ihre Kinder sind völlig in Ordnung. Du wärst ja schließlich nicht allein beteiligt – ich bin bürgerlich genug. Was gibt es an mir auszusetzen?«
»Nichts, Harriet. Und das ist wahr. Bei Gott, das ist wahr! Tatsache ist nur, daß ich ein Feigling bin und immer war, und daß ich Verantwortung scheue. Also, mein Schatz – wenn du es möchtest und bereit bist, das Risiko auf dich zu nehmen –«
»Für so ein großes Risiko halte ich das gar nicht.«
»Nun gut. Ich überlasse es dir. Wenn und wann du willst. Als ich dich fragte, hatte ich eigentlich ein Nein erwartet.«
»Aber du hattest auch schreckliche Angst, ich könnte ›Ja, natürlich!‹ sagen.«
»Hm, vielleicht. Mit deiner Antwort hatte ich jedenfalls nicht gerechnet. Es macht einen verlegen, ernst genommen zu werden – als Mensch.«
»Aber Peter, einmal abgesehen von meinen Empfindungen und deiner morbiden Vorstellung von Gorgonenzwillingen oder neunköpfigen Hydras oder was du sonst befürchtest – möchtest du denn Kinder haben?«
Der Widerstreit in seinem verlegenen Gesicht hatte sie belustigt.
»Als der egoistische Trottel, der ich bin«, hatte er schließlich gesagt, »ja. Ja, ich möchte. Weiß der Himmel warum. Warum wünscht man sich Kinder? Um zu beweisen, daß man’s kann? Und mit ›meinem Sohn in Eton‹ angeben zu können? Oder weil –«
»Peter! Als Mr. Murbles dieses ellenlange Testament für dich aufgesetzt hat, nach unserer Verlobung –«
»O Harriet!«
»Wie hast du da über deinen Besitz verfügt? Ich meine den Haus- und Grundbesitz.«
»Na schön«, antwortete er mit einem tiefen Seufzer, »der Mord ist entdeckt. Unveräußerliches Familiengut – ich geb’s zu. Aber Murbles erwartete eben, daß jeder Mann – Himmel, lach doch nicht so! Darüber war mit Murbles einfach nicht zu reden – und es wurde eben für jede Eventualität vorgesorgt.«
Eine Ortschaft mit breiter Steinbrücke und spiegelnden Lichtern auf dem Fluß – das führte die Erinnerung nicht weiter zurück als bis zum heutigen Vormittag. Der geschlossene Wagen der Herzoginwitwe, diese selbst diskret neben dem Chauffeur; Harriet im goldenen Kleid und Pelzmantel, neben ihr Peter, so komisch aufrecht sitzend in seinem Cut, eine Gardenie am Revers und den seidenen Zylinder auf dem Schoß.
»Nun haben wir also den Rubikon überschritten, Harriet. Irgendwelche Bedenken?«
»Nicht mehr als seinerzeit, als wir nachts den Cherwell hinauffuhren und am gegenüberliegenden Ufer festmachten – und du mir dieselbe Frage stelltest.«
»Gott sei Dank! Laß es so bleiben, mein Schatz. Nur noch der letzte
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