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Hochzeit kommt vor dem Fall

Hochzeit kommt vor dem Fall

Titel: Hochzeit kommt vor dem Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Mr. Bunter konnte es sich denken. Jetzt schien die Dame zwar sehr angemessene Wiedergutmachung zu leisten; aber welches Verhalten sie unter dem Druck kleiner Unannehmlichkeiten an den Tag legen würde, mußte sich erst noch zeigen. Mr. Bunter pflegte Menschen von Berufs wegen nach ihrem Verhalten zu beurteilen, und zwar nicht nach ihrem Verhalten in schweren Krisen, sondern angesichts der kleinen Ärgernisse des Alltags. Er hatte schon erlebt, wie einer Dame die Entlassung aus den Diensten Seiner Lordschaft (einschließlich aller Bezüge und der Nutzung eines appartement meublé in der Avenue Kléber) gedroht hatte, nur weil sie in seiner Gegenwart eine Zofe grundlos angefahren hatte; aber Ehefrauen konnte man nicht so mir nichts dir nichts entlassen. Überdies machte Mr. Bunter sich Sorgen, ob im Haus der Herzoginwitwe alles nach Plan ablaufen würde; eigentlich glaubte er nicht recht daran, daß ohne seine Mitwirkung etwas so organisiert und durchgeführt werden konnte, wie es sich gehörte.
    Darum war er unsagbar erleichtert, als er das Taxi ankommen sah und sich vergewissern konnte, daß kein Reporter auf dem Ersatzrad kauerte oder in einem nachfolgenden Wagen auf der Lauer lag.
    »Da sind wir, Bunter. Alles klar? Gut gemacht! Ich fahre selbst. Wirst du auch sicher nicht frieren, Harriet?«
    Mr. Bunter legte der Braut eine Decke über die Knie.
    »Werden Eure Lordschaft auch bedenken, daß wir den Portwein befördern?«
    »Ich werde so vorsichtig fahren, als ob’s ein Baby auf dem Arm wäre. Was ist denn mit dieser Decke los?«
    »Ein paar Getreidekörner, Mylord. Ich war so frei, etwa eindreiviertel Pfund davon zwischen dem Handgepäck herauszulesen, nebst einer Auswahl Fußbekleidungen aller Art.«
    »Das muß Lord Saint-George gewesen sein«, meinte Harriet.
    »Vermutlich, Mylady.«
    » Mylady « – sie hatte es eigentlich nie für möglich gehalten, daß Bunter die Situation akzeptieren würde. Jeder andere vielleicht, aber nicht Bunter. Augenscheinlich tat er es aber doch. Und demnach mußte das Unglaubliche Wirklichkeit geworden sein. Sie war tatsächlich mit Peter Wimsey verheiratet. Da saß sie nun und sah Peter an, während der Wagen sich geschmeidig durch den Verkehr schlängelte. Das hohe Profil mit der vorspringenden Nase, die langen Hände am Steuer waren ihr doch jetzt schon so lange vertraut; aber plötzlich waren es doch Gesicht und Hände eines Fremden. (Peters Hände; sie hielten die Schlüssel der Hölle und des Himmels … die alte Angewohnheit der Schriftstellerin, alles in literarischen Anspielungen zu sehen.)
    »Peter!«
    »Ja, mein Liebes?«
    »Ich wollte nur mal wissen, ob ich deine Stimme noch erkenne – dein Gesicht erscheint mir irgendwie weit weg.«
    Sie sah den Winkel seines breiten Mundes zucken.
    »Nicht mehr ganz derselbe Mensch?«
    »Nein.«
    »Keine Sorge«, sagte er unbeirrt, »heute nacht renkt sich das alles wieder ein.«
     
    Zuviel Erfahrung, um sich zu wundern; zuviel Ehrlichkeit, um Unverständnis vorzutäuschen. Sie erinnerte sich an die Geschichte vor vier Tagen. Er hatte sie nach dem Theater nach Hause gebracht, und wie sie vor dem Feuer standen, hatte sie irgend etwas gesagt – etwas ganz Belangloses – und ihn dabei angelacht. Er hatte sich plötzlich umgedreht und ganz heiser gesagt:
    » Tu m’enivres! «
    Sprache und Stimme zusammen hatten ihr wie ein Blitzschlag Vergangenheit und Zukunft erhellt, in einer einzigen flammenden Sekunde, die in den Augen schmerzte, gefolgt von einer Dunkelheit gleich dickem, schwarzem Samt … Als seine Lippen sich widerstrebend lösten, hatte er gesagt:
    »Entschuldige. Ich wollte nicht gleich den ganzen Zoo wecken. Aber mein Gott, wie freut es mich zu wissen, daß er da ist – und keine lahmen Tiger darin!«
    »Hattest du geglaubt, mein Tiger sei lahm?«
    »Ich dachte, er sei vielleicht ein bißchen verschüchtert.«
    »Ist er aber nicht. Er scheint ein völlig neuer Tiger zu sein. Ich hatte noch nie einen – war immer nur tierlieb.«
     
    » Mein Liebchen gab mir einen Tiger,
Einen geschmeidigen, prächtigen Tiger,
Einen streifigen, glänzenden Tiger,
Wohl unterm Lebensbaum. «
     
    Niemand sonst, dachte Harriet, schien den Tiger vermutet zu haben – außer dem alten Paul Delagardie natürlich, dessen spöttische Augen alles sahen.
    Peter hatte abschließend gesagt:
    »Jetzt habe ich mich vollends verraten. Kein englisches Vokabular. Keine andere Engländerin. Und das ist alles, was ich zu meinen Gunsten vorbringen

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