Hochzeit zu verschenken
halte ich nicht länger aus. Ich brauche meinen Wodka.
»Ich muss jetzt weiter«, murmele ich und eile zurück zu meinem Beratungsraum.
Ich kann einpacken. Ganz gleich, was ich mache, ich werde einen Haufen Menschen wahnsinnig enttäuschen.
Während Amy sich in das erste Kleid wurstelt, stehe ich einfach nur da und starre mit ziemlichem Herzklopfen den Fußboden an. Das ist doch nicht das erste Mal, dass ich in der Klemme stecke. Das ist doch nicht das erste Mal, dass ich Dummheiten gemacht habe. Aber es ist das erste Mal, dass es so schlimm ist. Dass es solche Ausmaße annimmt, so teuer wird, von solcher Wichtigkeit ist...
»Das gefällt mir«, sagt Amy und betrachtet sich kritisch. »Aber ist das Dekolletee groß genug?«
»Äh...« Ich sehe sie an. Sie steckt in einem schwarzen Chiffonkleid, das praktisch bis zum Bauchnabel geschlitzt ist. »Ich glaube schon. Notfalls könnten wir es aber auch ändern lassen...«
»Ach, dazu habe ich keine Zeit!«, sagt Amy. »Ich bin nur noch einen Tag in New York. Morgen fahren wir in den Urlaub, und danach ziehen wir nach Atlanta. Darum bin ich ja einkaufen. In meiner Wohnung sind die Möbelpacker, da drehe ich sonst durch.«
»Verstehe«, sage ich geistesabwesend.
»Mein Freund ist ganz verrückt nach meinem Körper«, erzählt sie selbstgefällig, als sie das Kleid wieder auszieht. »Seine Frau hat sich ja nie besonders viel um ihr Äußeres gekümmert. Oder besser gesagt Exfrau. Jetzt lassen sie sich ja scheiden.«
»Soso«, kommentiere ich höflich und reiche ihr ein weißsilbernes Etuikleid.
»Ich verstehe gar nicht, wie er es so lange mit der ausgehalten hat. Und jetzt ist sie rasend eifersüchtig. Ich werde sie verklagen.« Amy steigt in das Etuikleid. »Ich meine, wer gibt ihr denn das Recht, mir mein Glück kaputtzumachen? So was von egoistisch! Die hat es sogar fertig gebracht, mitten auf der Straße handgreiflich zu werden! Die ist auf mich losgegangen! Mitten auf der Madison Avenue!«
Madison Avenue. Kommt mir bekannt vor. Ich sehe auf, und mein Gehirn fängt langsam an zu arbeiten.
»Wollen Sie damit sagen, dass sie Sie... geschlagen hat?«
»Allerdings, ja! Sie hat mir fast die Augen ausgekratzt! Tausende von Leuten sind stehen geblieben und haben zugesehen, und sie hat mir die wüstesten Beschuldigungen an den Kopf geworfen... Manchmal habe ich ja den Eindruck, dass diese harten Karrierefrauen irgendwie durchdrehen, wenn sie erst mal jenseits der vierzig sind. Könnten Sie wohl mal bitte den Reißverschluss zumachen?«
Das kann doch nicht dieselbe Frau sein. Also, hören Sie, es gibt doch bestimmt mindestens tausend blonde Mätressen in New York City, die auf der Madison Avenue von der aufgebrachten früheren Frau ihres Freundes attackiert werden.
»Wie... wie hieß Ihr Freund doch gleich?«, frage ich ungezwungen nach.
»William.« Sie kräuselt die Lippen. »Sie hat ihn immer Bill genannt.«
Oh, mein Gott.
Sie ist es. Sie ist die blonde Praktikantin. In Fleisch und Blut. In meinem Beratungsraum, direkt vor mir.
Okay... schön lächeln. Nichts anmerken lassen.
Doch in meinem Innern koche ich vor Wut. Das ist die Frau, für die Laurel verlassen wurde? Dieses hirnlose, abgeschmackte Wesen?
»Darum ziehen wir jetzt ja auch nach Atlanta«, erzählt Amy und betrachtet sich eitel im Spiegel. »Wir wollen ein neues Leben anfangen. William hat seine Firma darum gebeten, ihn zu versetzen. Ganz diskret natürlich. Wir wollen schließlich nicht, dass die alte Hexe uns folgt.« Sie runzelt die Stirn. »Ich glaube, das gefällt mir besser.«
Sie bückt sich, und ich erstarre. Moment mal. Sie trägt einen Anhänger an der Kette. Einen Anhänger mit... ist der grüne Stein nicht ein Smaragd?
»Amy, tut mir Leid, ich muss eben schnell einen Anruf erledigen«, entschuldige ich mich ganz locker. »Sie können ruhig weiter Kleider anprobieren!« Und damit verdrücke ich mich aus dem Umkleideraum.
Als ich endlich Laurels Büro am Apparat habe, sagt mir die Assistentin Gina, dass Laurel gerade ein Meeting mit American Airlines hat und nicht gestört werden kann.
»Bitte«, sage ich. »Holen Sie sie da raus. Es ist wichtig.«
»American Airlines sind auch wichtig«, sagt Gina. »Sie werden schon warten müssen.«
»Sie verstehen das nicht! Die Sache ist lebenswichtig!«
»Becky, eine neue Rocklänge von Prada ist nicht lebenswichtig«, informiert Gina mich leicht genervt. »Jedenfalls nicht, wenn es um neue Leasingverträge für unsere Flugzeuge
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