Hochzeit zu verschenken
kann warten.«
Die Hochzeit ist auf einmal tausend Lichtjahre entfernt. Ich nehme meine Rede, zerknäule sie zu einem kleinen festen Ball und werfe sie in den Papierkorb. Dann sehe ich mich um. Die Wohnung sieht aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Der Tisch versinkt unter den Briefen, in der Ecke stapeln sich Hochzeitsgeschenke, überall liegt und steht etwas herum.
»Komm, wir gehen essen«, sage ich und stehe unvermittelt auf. »Und danach ins Kino oder so.«
»Ich habe keinen Hunger«, sagt Luke.
»Darum geht es ja auch gar nicht. Aber hier ist es einfach zu... voll.« Ich nehme Lukes Hand und ziehe daran. »Komm schon, wir gehen aus. Damit wir das mal alles vergessen. Alles.«
Arm in Arm schlendern wir zum Kino und lassen uns von einem Film über die Mafia mitreißen. Hinterher gehen wir ein paar Blocks weiter zu einem kleinen, sehr angenehmen Restaurant, das wir schon länger kennen, und bestellen Rotwein und Risotto.
Wir verlieren kein Wort über Elinor. Stattdessen reden wir über Lukes Kindheit in Devon. Er erzählt mir von Picknicks am Strand, von einem Baumhaus, das sein Vater ihm gebaut hat, und von seiner kleinen Halbschwester Zoe, die sich immer mitsamt ihren Freundinnen an Luke angehängt hat und ihm damit tierisch auf die Nerven gegangen ist. Dann erzählt er mir von Annabel. Davon, was für eine tolle Mutter sie ihm gewesen ist, und wie freundlich sie immer zu allen ist. Und davon, dass er nie das Gefühl hatte, sie würde ihn weniger lieben als Zoe, die ja ihre richtige Tochter war.
Und dann reden wir ganz zaghaft über Dinge, die vorher noch nie Thema waren. Wie zum Beispiel darüber, selbst Kinder zu haben. Luke will drei. Ich will... na ja, also nachdem ich Suzes gesamten Wehen- und Geburtsprozess hautnah miterlebt habe, glaube ich eigentlich, dass ich gar keine will, aber das sage ich jetzt besser nicht. Ich nicke, wenn er sagt »Oder vielleicht sogar vier«, und überlege mir insgeheim, ob es nicht vielleicht möglich wäre, die Schwangerschaften zu simulieren und frisch geborene Babys zu adoptieren...
Ich glaube, gegen Ende des Abends geht es Luke bereits bedeutend besser. Wir laufen nach Hause, fallen ins Bett und schlafen beide sofort ein. Mitten in der Nacht wache ich mal halb auf und meine Luke am Fenster stehen zu sehen, wie er in die Nacht hinausstarrt. Aber ich bin schon wieder eingeschlafen, bevor ich mir ganz sicher bin.
Als ich am nächsten Morgen aufwache, habe ich einen trockenen Mund und Kopfschmerzen. Luke ist bereits aufgestanden, ich höre ihn in der Küche herumklappern. Vielleicht macht er mir ja ein schönes Frühstück. So eine Tasse Kaffee könnte ich jetzt gut vertragen, und vielleicht auch eine Scheibe Toast. Und dann...
Mein Magen zieht sich nervös zusammen. Jetzt muss ich endlich in den sauren Apfel beißen. Ich muss ihm von den zwei Hochzeiten erzählen.
Gestern Abend ist alles anders gelaufen als geplant. Aber jetzt ist gestern Abend vorbei. Jetzt ist heute Morgen, und jetzt kann ich es nicht mehr länger aufschieben. Ich weiß, das Timing ist denkbar schlecht. Ich weiß, das ist das Letzte, was ihn in seiner momentanen Verfassung interessiert. Aber ich muss es ihm sagen.
Ich höre ihn über den Flur zum Schlafzimmer kommen und atme tief durch, um mich zu stählen.
»Hör mal, Luke«, sage ich, als die Tür aufgeht. »Ich weiß, dass es nicht gerade der passendste Augenblick dafür ist. Aber ich muss dringend mit dir reden. Wir haben nämlich ein Problem.«
»Und das wäre?«, fragt Robyn, als sie das Zimmer betritt. »Doch wohl hoffentlich nichts, das mit der Hochzeit zu tun hätte!?« Außer einem taubenblauen Kostüm und Lacklederpumps trägt sie momentan auch noch ein Frühstückstablett. »Hier, meine Liebe. Ein bisschen Kaffee zum Aufwachen!«
Träume ich? Was macht Robyn in meinem Schlafzimmer?
»Ich hole nur noch eben die Muffins«, verkündet sie fröhlich und verschwindet wieder. Ich lasse mich entkräftet in die Kissen sinken, bekomme Herzrasen und überlege fieberhaft, was sie wohl hier verloren haben könnte.
Auf einmal muss ich an den Mafiafilm von gestern Abend denken und werde total panisch. Oh, mein Gott. Ist doch klar.
Sie hat das mit der anderen Hochzeit herausgefunden -und jetzt will sie mich umbringen.
Robyn erscheint abermals in der Tür, dieses Mal mit einem Korb voller Muffins in der Hand. Mit einem strahlenden Lächeln stellt sie ihn neben mir ab. Wie gelähmt vor Angst starre ich sie an.
»Robyn!«, stoße ich
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