Hochzeit zu verschenken
ist wie... eine Metapher für das Leben. Man glaubt, man sei frei und könne gehen, wo und wohin man will. Aber in Wirklichkeit...« Er zeichnet mit dem Finger eine Linie auf dem Tisch. »Hat man nicht viele Freiheiten. Es geht nur nach links oder nach rechts. Hoch oder runter. Dazwischen gibt es nichts. Keine anderen Möglichkeiten.«
»Ja«, sage ich nach einer Weile. »Stimmt. Aber was ich sagen wollte, Luke -«
»Das Leben sollte aber eine grenzenlose Weite sein, Becky. Man sollte immer ganz genau in die Richtung gehen können, in die man gehen will.«
»Kann schon sein -«
»Ich bin heute von dem einen Ende der Insel zum anderen gelaufen.«
»Echt?« Ich glotze ihn an. »Und äh... warum?« Irgendwann habe ich mal aufgesehen, und da waren nur Bürogebäude um mich herum. Die verspiegelten Fensterscheiben reflektierten das Sonnenlicht. Von einem Gebäude zum nächsten, hin und her.«
»Sah bestimmt schön aus!« Oder was soll ich jetzt sagen??
»Verstehst du, was ich damit sagen will?« Er fixiert mich mit einem ungewöhnlich intensiven Blick, und da erst fallen mir die Schatten unter seinen Augen auf. Mann, sieht Luke fertig aus. »Das Licht, das in diese Stadt fällt... wird in ihr gefangen. Es wird in seiner eigenen Welt gefangen, springt ewig hin und her und kann nicht mehr entkommen.«
»Na ja... ja, mag wohl sein. Obwohl... manchmal regnet es ja auch.«
»Und die Menschen sind auch alle gleich.«
»Ach, ja?«
»Das ist die Welt, in der wir leben. Alles reflektiert sich selbst. Alles ist nur mit sich selbst beschäftigt. Vollkommen sinnentleert. Nimm nur mal den Typen im Krankenhaus. Dreiunddreißig. Herzinfarkt. Was, wenn er gestorben wäre? Hätte er ein erfülltes Leben gehabt?«
»Äh -«
»Habe ich bisher ein erfülltes Leben gehabt? Sei ehrlich, Becky. Sieh mich an, und sag es mir.«
»Also... öh... natürlich!«
»Quatsch.« Er nimmt eine Pressemitteilung von Brandon Communications vom Tisch und sieht sie an. »Das ist es, worum sich mein Leben bisher gedreht hat. Um das Verteilen sinnloser Informationen.« Zu meinem Entsetzen zerreißt er das Papier in viele kleine Stücke. »Sinnlose, beschissene Fetzen Papier.«
Auf einmal sehe ich, dass er auch den Kontoauszug von unserem gemeinsamen Konto zerreißt.
»Luke! Unser Kontoauszug!«
»Na und? Ist doch egal! Sind doch nur ein paar bedeutungslose Zahlen. Wen interessiert das schon?«
»Aber... aber...«
Irgendetwas stimmt hier nicht.
»Ist doch alles vollkommen egal!« Er verteilt die Papierschnipsel auf dem Boden, und ich muss mich zwingen, mich jetzt nicht zu bücken und sie aufzusammeln. »Du hast ja so Recht, Becky.«
»Ich habe Recht?«, frage ich entsetzt nach.
Irgendetwas stimmt hier ganz und gar nicht.
»Wir sind alle viel zu materialistisch drauf. Alles, was zählt, ist Erfolg. Geld. Ständig wollen wir Eindruck schinden bei irgendwelchen Leuten, die nie von uns beeindruckt sein werden, ganz gleich, was wir...« Er bricht ab und atmet schwer. »Dabei ist Menschlichkeit das Einzige, das zählt. Wir sollten wirklich obdachlose Menschen kennen. Wir sollten bolivianische Bauern kennen.«
»Also... ja«, sage ich nach einer kurzen Pause. »Aber trotzdem -«
»Du hast vor einiger Zeit mal etwas gesagt, das mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf gegangen ist. Ich kann es einfach nicht vergessen.«
»Und was war das?«, frage ich reichlich nervös.
»Du hast gesagt...« Er hält kurz inne, um alles richtig wiederzugeben. »Du hast gesagt, dass die Zeit, die uns auf Erden gegeben ist, viel zu kurz ist. Und du hast gefragt, was am Ende unseres Lebens wohl am meisten zählt: zu wissen, dass im Grunde bedeutungslose Zahlen in Ordnung waren - oder zu wissen, dass man der Mensch war, der man sein wollte?
Sprachlos sehe ich ihn an.
»Aber... aber das habe ich doch nur einfach so gesagt! Das habe ich doch nicht ernst gemeint -«
»Ich bin nicht der Mensch, der ich sein möchte, Becky. Ich glaube, das bin ich nie gewesen. Ich hatte Scheuklappen auf. Ich bin immer den falschen Dingen hinterhergejagt -«
»Nun komm schon!«, sage ich und drücke ihm aufmunternd die Hand. »Du bist Luke Brandon! Du bist erfolgreich, du siehst gut aus, du bist reich...«
»Ich bin nicht der Mensch, der ich eigentlich sein will. Das Problem ist nur, dass ich nicht weiß, wie ich sein will... was ich aus meinem Leben machen will... welchen Weg ich gehen will...« Er sackt in sich zusammen und vergräbt das Gesicht in seinen Händen. »Ich brauche
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