Hochzeitsfieber bei den MacGregors
lieferten, was sie erwartete. Mit weniger hatte sie sich noch nie zufriedengegeben.
Julia wäre niemals auf die Idee gekommen, sich als verwöhnt zu betrachten. Sie arbeitete für das, was sie wollte. Sie plante, sie führte aus. Und sie konnte, wenn nötig, selbst tapezieren, Nägel in die Wand schlagen und Ritzen verfugen. Aber sie war der Meinung, dass es nicht umsonst für alles Mögliche Fachleute gab, derer man sich nur zu bedienen brauchte. Und sie bezahlte gut.
Sie war bekannt dafür, dass sie gern Ratschläge annahm, besonders wenn sie mit ihrer eigenen Sichtweise übereinstimmten. Und ein Projekt, das sie einmal in Angriff genommen hatte, blieb niemals liegen.
Sie hatte von ihren Eltern gelernt, wie wichtig es war, zu planen, zu arbeiten und das, was man einmal angefangen hatte, auch zu Ende zu bringen. Alan MacGregor hatte seinem Land zwei Legislaturperioden lang im Weißen Haus als Präsident gedient, mit Shelby Campbell-MacGregor als First Lady an seiner Seite, die eine Menge mehr geleistet hatte, als Dinnerpartys abzuhalten und Würdenträger zu begrüßen.
Die Frauen des MacGregor-Clans waren niemals nur Widerspiegelungen ihrer Ehemänner gewesen. Eine MacGregor war eine ganz eigene Persönlichkeit. Und Julia war keine Ausnahme.
Sie ging die sanft gewundene Treppe nach oben, eine Frau mit einer Haut, die samtig war wie die Blütenblätter einer Rose, und gelocktem, flammend rotem Haar. Ihre schokoladenbraunen Augen suchten jetzt mit scharfem Blick jeden Mangel zu erfassen, der ihnen vorher eventuell entgangen sein könnte. Ihr Mund war groß und oft in Bewegung, ihre Hände waren schmal und hielten selten still. Ihr kurvenreicher Körper vibrierte vor Energie, die unerschöpflich schien.
Nur jemand, der bis über beide Ohren in sie verliebt war, hätte sie schön genannt, aber selbst ihre Kritiker – und die hatte jede starke Frau, für die es selbstverständlich war, eine eigene Meinung zu haben und diese auch zu vertreten – bescheinigten ihr einen einzigartigen Reiz.
Ein ehemaliger Verehrer hatte sie einmal »die Amazonenkönigin« genannt. Und obwohl es damals nicht als ein Kompliment gemeint war, passte es zu ihr. Sie war robust, unabhängig und sexy.
Und sie war rücksichtslos.
Sie tippte sich nachdenklich mit dem Finger ans Kinn, während sie sich in dem Schlafzimmer umschaute, das sie seit einem Monat bewohnte. Der wunderschöne Adam-Kamin musste aufgemeißelt werden. Dass die früheren Bewohner ihn zugemauert hatten, war noch eins der Verbrechen, derer sie sich Julias Meinung nach schuldig gemacht hatten.
Sie sah sich schon, umringt von Kissen, in dem herrlichen Kufenbett aus Teakholz, das sie eingelagert hatte, liegen, neben sich eine Kanne Jasmintee und in der Hand ein gutes Buch. Und im Kamin knisterte das Feuer.
Es war erst Ende August, und der Sommer hielt Boston im Schwitzkasten, aber die Vorstellung gefiel ihr. Und an Thanksgiving würde sie bereits Wirklichkeit sein.
Das Haus selbst würde an Weihnachten in neuem Glanz erstrahlen, und sie würde es mit einer rauschenden Silvesterparty einweihen.
Das neue Jahr einläuten, überlegte Julia schmunzelnd.
Wie auf ein Stichwort klingelte es an der Tür. Mr. Murdoch, dachte sie, wie immer auf die Minute pünktlich. Er war der Bauunternehmer, mit dem sie seit nahezu sechs Jahren am häufigsten zusammenarbeitete. Dieses Haus war nicht das erste, das Julia gekauft hatte, und auch nicht das erste, das sie restaurierte, oder das erste, das sie bewohnte. Häuser waren ihre Leidenschaft. Und die Spürnase fürs Geschäft hatte sie geerbt.
Ihr Großvater hatte es mit einem wachen Verstand, scharfen Augen und dem Herzen eines Spielers von einem armen jungen Mann zum Millionär gebracht. Von all seinen Kindern und Enkelkindern war es Julia, die am ehesten in die Fußstapfen des großen Mannes trat.
Sie rannte die Treppe hinunter, erpicht darauf, ihre Pläne so schnell wie möglich zu besprechen und mit dem listigen Schotten um die Kosten zu feilschen. Daniel MacGregor hatte ihr Michael Murdochs Firma bereits vor Jahren empfohlen, und Julia war ihm noch heute dankbar dafür. Sie hatte das Gefühl, mit Michael Murdoch eine verwandte Seele gefunden zu haben.
Deshalb lächelte sie, als sie die Tür öffnete. Eine Sekunde später verfinsterte sich ihr Gesicht.
Es war nicht Michael Murdoch, sondern sein Sohn. Sie betrachtete Cullum Murdoch als das einzige Haar in der Suppe ihrer hervorragenden Geschäftsbeziehung mit dem
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