Hoehenfieber
auf, presste dabei die Finger auf ihren Unterleib, um den ziehenden Schmerz zu unterdrücken, und ging zu der alten Frau. Vor ihr blieb sie stehen und streckte beide Arme nach vorn, griff nach den ausgemergelten und von jahrelanger Arbeit verhornten Händen.
„Vielen, vielen Dank für Ihre Hilfsbereitschaft“, sagte Quinn und war sich bewusst, dass die alte Dame ihre Worte nicht verstand. „¡Gracias, muchas, muchas gracias!”
Eine Flut an Worten prasselte auf sie nieder, doch Quinns Spanisch beschränkte sich auf siebeneinhalb Begriffe, die ihr aus einem Spanienurlaub vor vielen Jahren als kleines Kind in Erinnerung geblieben waren.
„¡De nada, de nada!”, wiederholte die Alte immer wieder, nahm nun ihrerseits Quinns Finger zwischen ihre Hände und zog Quinn mit sich. „¡Tome asiento, por favor!” Sanft, aber dennoch mit unnachgiebiger, erstaunlicher Kraft, drückte die Greisin Quinn auf das zerlumpte Sofa. Dann flitzte sie in wieselartiger Geschwindigkeit zu den abgestellten Obstkörben, nahm sich das einzige Küchenmesser und begann, eine gelblich-grüne Orange zu vierteln. Sie löste die Schalen an den Enden und zog sie ab, ehe sie Vanita wort- und gestenreich bedeutete, ihr einen Teller zu reichen. Mit noch mehr Gebärden gab sie ihnen allen zu verstehen, die Obststücke zu essen.
Quinn ging kurz hinaus, um die Tassen auszuspülen und sie mit Wasser zu füllen.
„¡No, no, no!”, zeterte die Greisin. Sie sprang auf und nahm Quinn die Tassen aus den Händen. Mit Schwung schüttete sie den Inhalt durch die offen stehende Tür ins Freie. Mit ihrem ausgestreckten, knochigen Zeigefinger wies sie auf einen Plastikkanister neben der rosafarbenen Plastikschüssel. „¡Aqua potable!” Sie wedelte mit der Hand. „¡Ahi, ahi!”
Quinn verstand. Sie öffnete den Kanister und schenkte die Tassen erneut voll.
„Das ist aufgefangenes und abgekochtes Regenwasser“, warf Dix ein. „Wir sollten den Topf auffüllen.“
„Ich gehe schon“, sagte Van. „Ich habe die Regentonne draußen gesehen.“
Quinn setzte sich wieder und vertilgte brav zwei Orangenstücke.
Die Greisin fuhr unermüdlich fort, Obst zu schälen. Zwei weitere Orangen, zwei Äpfel, eine halbe Ananas und Mango. Der Teller leerte sich rascher, als Quinn gedacht hatte, denn auch Van und Dix ließen sich nicht erneut bitten. Ihre Gastgeberin schnippelte unermüdlich und forderte sie mit einem breiten Lächeln immer wieder auf, noch einmal zuzugreifen. Als sie beinahe das Gefühl hatte, gleich zu platzen, winkte Quinn ab und lächelte die alte Frau dankbar an. „Ich möchte gern duschen. Haben Sie ein Handtuch für mich?“ Sie machte verschiedene Gesten, fuhr sich über den nackten Arm, wischte mit beiden Händen durch ihr Gesicht und griff nach einem imaginären Tuch, um sich abzutrocknen.
„¡Ahora caigo! Ya!” Die alte Frau gackerte und wieselte in den Schlafraum. Sie kam mit einem Handtuch und einem Laken heraus, das sie vor Quinn ausschüttelte.
„¡Muchas gracias!” Das Laken war perfekt. Es hatte ungefähr die Größe eines Saunatuches und würde reichen, um ihr dahinter Schutz zu geben. Sie wandte sich an Van. „Kommst du mit raus?“
Nachdem Quinn sich von Kopf bis Fuß gesäubert hatte, half Van ihr, die Kleidung auszuwaschen, danach hängten sie die Klamotten zum Trocknen in die Sonne und warteten, bis das Handtuch wieder einigermaßen trocken war, damit auch Vanita duschen konnte. Während der ganzen Zeit hielten sie vergebens Ausschau nach den Männern. Dem Sonnenstand nach zu urteilen musste es mittlerweile auf vier Uhr zugehen.
Langsam machte sich Quinn Sorgen und fragte sich immer öfter, wo Virge, Nash und der Bauer blieben. Ihre Kleidung war längst trocken und sie hatte sich wieder angezogen. Auch Van schlüpfte gerade wieder in ihre Jeans. „Mir geht’s jetzt schon viel besser“, meinte sie und fuhr sich mit den Fingern durch ihr langes Haar. Das sah noch immer aus, als hätte Vanita sich Dreadlocks geflochten, und wenn sie Pech hatte, waren die ehemals seidigen Strähnen so verfilzt, dass sie abgeschnitten werden mussten. Doch vielleicht hatte sie wenigstens dabei Glück und es halfen einige Kurpackungen.
„Wo bleiben die Männer nur?“ Quinn seufzte, drehte sich um die eigene Achse und starrte auf den Schotterweg. Drei lang gezogene Schatten bewegten sich.
„Da sind sie!“, stieß Quinn hervor und humpelte los.
Kurz vor der ersten Wegbiegung stand sie ihnen gegenüber. Am liebsten wäre sie Virgin
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