Hoehenfieber
Geburtsdatum nicht?“
„Nein. Mein Alter wurde geschätzt und dann als Geburtstag der 1. März 1986 festgelegt.“
„Hast du jemals daran gedacht, Nachforschungen anzustellen?“
„Über meine wahre Herkunft?“
„Ja.“
„Nein.“
Sie schwiegen, doch es hatte nichts Peinliches an sich. Eng umschlossen genoss Virgin ihre Nähe und spürte, dass es Quinn ebenso erging.
Bis Dix zurückkam. „Der Bauer gewährt uns Unterkunft und ist bereit, uns zu helfen.“
„Warum habt ihr so lange gebraucht?“, fragte Vanita.
„Der Mann behauptete, ein Fahrzeug zu besitzen, das Nash aber nirgendwo finden konnte. Wir haben ihn gebeten, es uns zu zeigen.“
„Und?“, fragte Virgin, und ihm schwante Böses.
„Es ist ein uralter Trecker, der auf einem Feld etwa hundert Yards hinter seinem Haus steht.“
„Besser als nichts, oder?“ Virgin grinste. Er löste sich sanft von Quinn und half Dix, den Verletzten aufzuheben.
*
Quinn fühlte sich unwohl, als sie kurz vor Mittag aus dem Schlafraum trat. In der vergangenen Nacht hatten sie von dem Bauern und seiner Mutter etwas Obst und Wasser bekommen, danach waren Van und sie wie Steine in das schmale Bett geplumpst.
Sämtliche Härchen an ihren Armen richteten sich auf, als sie sich in dem kargen Wohnraum umsah. All das hatte sie beim ersten Betreten der Hütte nur wie durch einen Schleier wahrgenommen und nicht wirklich verarbeitet.
In der rechten Ecke stand ein Ofen, der mit Holz befeuert wurde, wie ein mickriges Häufchen von Ästen und Scheiten daneben verriet. Außerdem nutzte der Bauer ihn zum Kochen, denn aus einem verbeulten Topf auf der gusseisernen Platte stieg Wasserdampf auf. Es gab weder einen Kühlschrank noch ein Spülbecken, nur eine ausgebleichte rosa Waschschüssel, die hochkant an der Wand lehnte und eine weitere, ebenso ausgebleichte Schüssel, in der schmutziges Geschirr stand. Auf dem Fußboden lag ein ausgebreiteter Lappen, der sich möglicherweise einmal Geschirrtuch genannt haben mochte. Darauf fanden sich zwei Tassen, zwei Teller und wenige Besteckteile.
Ein zerfleddertes Sofa vor der Kopfwand, ein winziger Tisch und ein Stuhl, über dessen Lehne ein paar Kleidungsstücke hingen. Sie konnte kaum glauben, dass das alles sein sollte. Der Schlafraum beherbergte ebenso karges Mobiliar. Eine Kommode, ein schmales Bett mit einer Matratze, die den Namen nicht mehr verdiente, weil es sich anfühlte, als schliefe man direkt auf den Metallfedern, zuletzt ein zerfledderter Ohrensessel in einer Raumecke. Die Fußbodenbohlen waren nur rau gezimmert, barfuß lief man Gefahr, sich Splitter in die Sohlen zu bohren. Die Ritze zwischen den Brettern waren teils fingerdick und gaben den Blick auf das nackte Erdreich darunter frei. Die Hütte stand auf einem schätzungsweise zwei Unterarmlängen hohen, offenen Sockel, doch wenn das dazu gedacht war, Kriechtiere wie Schlangen fernzuhalten, dann machten die Ritze das Bemühen zunichte, oder?
Ein solches Dasein war menschenunwürdig. Sogar die Angestellten im Palazzo, die der Sheikh mehr als schlecht bezahlte, verfügten über weit mehr Lebensqualität als diese Menschen. Majid hatte Van und sie wenige Male heimlich mit in sein Haus genommen und sie durften mit seinen Kindern spielen. Im Gegensatz zu dieser Behausung lebten die Bediensteten in ihren bescheidenen Wohnhäusern nahe des Palazzos wie im Paradies.
Quinns Augen schwammen in Tränen. Kein Mensch dürfte solchen Bedingungen ausgesetzt sein. Hätte sie dem Bauern ins Gesicht sehen sollen, wäre sie vor Scham im Boden versunken. Zum Glück hielten sich die Männer bis auf Dix und den Verletzten draußen auf, sie hörte sie leise reden, sodass sie Zeit fand, sich zu fangen.
„Hallo“, grüßte sie leise.
Dix wandte sich ihr zu. „Hi. Wie geht’s dir?“
„Besser.“ Sie ging ein paar Schritte auf Dix und den Verletzten zu, der an der Längsseite der Hütte vor der Wand auf dem Boden lag. Sein Brustkorb hob und senkte sich, er lebte also noch. Das wunderte und erleichterte sie. Wie konnte ein Mensch mit solchen Verletzungen ohne ärztliche Hilfe überstehen? Er müsste längst verblutet sein. Das Mysterium um seine Unsichtbarkeit schob Quinn nach ganz hinten in eine Gedankenschublade. Sie würde ohnehin keine Antworten bekommen und im Moment gab es Wichtigeres zu besprechen.
Sie nickte in Richtung des Mannes. „Was ist mit ihm?“
„Unverändert“, sagte Dix. „Er ist noch nicht aufgewacht.“
„Wo sind die anderen?“
„Die
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