Hoehenfieber
im Schleudergang, und jetzt fühlte sie sich erst recht wie in einen Horrortrip katapultiert. Herausgerissen aus ihrem kleinen, heilen Universum mit Virgin im Ziegenstall, und hineingeschleudert in die katastrophale Wirklichkeit.
Einatmen! Ausatmen! Wo waren die anderen?
Realität und Albtraum hatten ihre Eigenschaften vertauscht, nur dass jeder Traum ein Ende hatte und man unversehrt in die Realität zurückkehrte.
Das hier würde nicht einfach aufhören.
Das war das Ende und nur sie war schuld an allem.
Hinter ihr erklang die raue Stimme eines weiteren Soldaten, der Vanita in gebrochenem Englisch antrieb, schneller zu gehen.
Van war in ihrer Nähe. Oh Gott, danke! Quinn blinzelte mehrfach, bis sich ihre Sicht klärte.
Virgin hatte recht gehabt, das war keine Rettungsmannschaft. Der Lastwagen neben dem Flugzeug wartete darauf, dass das Lösegeld umgeladen wurde. Warum waren die nicht längst fertig und weg?
Der Soldat gab ihr einen Stoß und sie stolperte durch die übereinanderlappenden Planen des Zelteingangs. Als sie sich umdrehte, um nach Van zu sehen, erhielt sie einen weiteren Stoß und sie fiel auf die Knie.
Quinn kniff die Augen zusammen. Nur langsam gewöhnte sie sich an die Dunkelheit. Das Atmen fiel schwer in der schneidend dicken Luft.
Die meisten Passagiere lagen zusammengekauert an den Längsseiten des Zeltes. Nur wenige hoben die Köpfe und ließen sie teilnahmslos gleich wieder sinken, als hätte jeder Funken Lebenswille und Energie sie bereits verlassen und sie warteten nur noch auf ein gnädiges Ende.
Wacht auf, tut doch etwas ! , hätte Quinn am liebsten gerufen.
Ein Tritt gegen ihre Oberschenkel ließ nichts anderes als ein Keuchen aus ihrer Kehle dringen. Sie sackte nach vorn und fing sich mit den Händen ab. Bevor der Soldat sie nochmals traktieren konnte, kroch Quinn zur Seite und schob sich in eine schmale Lücke zwischen zwei anderen Frauen.
„Scheiße, scheiße, scheiße“, murmelte sie zu sich selbst.
„Welchen Tag haben wir?“, fragte die Frau zu ihrer Rechten.
„Montag“, antwortete Quinn mechanisch.
„Erst zwei Tage. Mir kommt es vor, als würden wir hier schon seit Wochen brüten.“ Die Frau setzte sich auf. „Wie heißen Sie?“
„Quinn.“ Ruhig atmen! Ihr Blick klebte am Zelteingang. Der Soldat hatte das Zelt wieder verlassen. Doch wo blieb Van?
„Carina.“ Die Frau wischte sich mit dem nackten Arm über die Stirn. Ihr Schweißgeruch strömte Quinn in die Nase. „Was passiert hier?“
„Ich weiß es nicht.“ Quinn kauerte sich zusammen. Weder Vanita noch einer der anderen betrat das Zelt.
Ihre Augen brannten. Ihr war, als müsste sie an ihrer Angst ersticken.
Sie lauschte, versuchte jedem Geräusch von draußen einen Sinn zuzuschreiben, doch ihr wollte sich nicht erschließen, was mit den anderen sein könnte. Hatte man sie in das andere Zelt gebracht? Alle zusammen? Warum wurde sie hier isoliert?
Kalter Schweiß brach ihr aus allen Poren und eine zunehmende Dunkelheit engte ihr Sichtfeld von außen nach innen ein, bis die Schwärze sie in ihren Schlund sog.
Montag, 3. Oktober
„I rgendwie habe ich seit dem Telefonat noch mehr Bauchschmerzen“, sagte Sadia.
„Die Entscheidung kann nicht falsch gewesen sein“, murmelte Alessa abwesend.
Ihre Körpersprache verriet Sadia, dass sie versuchte, ihren Liebeskummer tief in sich verborgen zu halten.
Seit die Bank das Geld bereitgestellt und Ziad den Transport zum Flughafen begleitet hatte, hatte sich die Versammlung ihrer Brüder aufgelöst. Auch Fadi war verschwunden, ohne noch einmal ein Wort mit Alessa oder ihr gewechselt oder das Mädchen wenigstens kurz in den Arm genommen zu haben.
Nun saßen sie in einem der Gästezimmer im Haus ihrer Mutter und warteten händeringend auf Neuigkeiten.
Es war Alessas Vorschlag gewesen, den Anwalt anzurufen, der von Ziad mit der Suche nach Latifa beauftragt worden war. Sadia hätte zu jedem Strohhalm gegriffen. Zuerst hatte sie geglaubt, ein Rettungsfloß wäre vor ihrer Nase aufgetaucht, gerade rechtzeitig, um die neu gewonnene Kraft nicht in den Wogen ihrer verzweifelt aufbrandenden Gefühle untergehen zu lassen. Doch von Stunde zu Stunde, die ohne erlösende Nachricht verging, schrumpfte das Floß, und bald wäre es nicht einmal mehr ein Holzsplitter.
Der Anwalt hatte versprochen, umgehend alle möglichen Hebel in Bewegung zu setzen, nur wusste sie nicht, was er bewegen wollte. Zumindest waren sie darüber informiert, wohin der Erpresser
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